Wie sehen die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Insektenbestäubern aus? Für den Erhalt der Ernährungssicherheit weltweit ist diese Frage von großer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Bereits heute müssen in einzelnen Regionen Chinas bei der Bestäubung von Obstbäumen Menschen von Hand die Arbeit der Bestäubung übernehmen, schlicht weil es dort kaum noch Insekten gibt, die dies tun könnten. Aber auch in Deutschland sind viele Nutzpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Pflanzenschutzmittel, die sogenannte Neonicotinoide enthalten, stehen schon seit längerem in Verdacht, für den weltweiten Rückgang nützlicher Insekten wie Bienen oder Hummeln mitverantwortlich zu sein. Neonicotinoide haben sich zu den am häufigsten verwendeten Insektiziden der Welt entwickelt, weil sie äußerst wirksam und bequem einzusetzen sind. Erstmals haben nun Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie der University of Stirling in Schottland herausgefunden, dass Pestizide die Fähigkeit der Hummeln zur Vibrationsbestäubung (buzz pollination) deutlich beeinträchtigen.
Hummeln sind immer häufiger als professionelle Bestäuber im Einsatz
Hummeln sind äußerst effiziente Pollensammler. Sie fliegen bereits bei sehr niedrigen Temperaturen weit unter 10 Grad Celsius aus, um auf Nahrungssuche zu gehen. Sie besuchen pro Minute doppelt sie viele Blüten wie Honigbienen, können mehr transportieren als diese und kommen aufgrund Ihrer Körpergröße mit mehr Blütenpollen in Berührung. Ihr berühmtes Brummen entsteht, weil sie beim Sammeln von Nahrung mit ihren Muskelvibrationen Frequenzen erzeugen, welche die Pollen aus der Blüte herausschütteln. Die Hummeln beißen sich an einer Blüte fest. Durch die Vibration schütteln sie die Pollen frei. Einen Teil behalten sie als Nahrung, der andere Teil befruchtet andere Blüten. Dieser Vorgang wird in der Fachsprache auch Vibrationsbestäubung genannt. Immer mehr Landwirte greifen ob dieser vielfältigen Eigenschaften auf Hummeln zurück. In Holland setzt man bei der Zucht von Tomaten und Paprika schon seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre in großen Stil Hummelvölker ein. Aber auch beim Erdbeeranbau oder auf Apfelplantagen sind Hummeln äußerst nützlich und auf vielen Plantagen in Europa als Profi-Bestäuber zu finden.
Lernfähigkeit der Hummeln eingeschränkt
Nun hat Dr. Penelope Whitehorn, Biologin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Mario Vallejo-Marin von der University of Stirling die Wirkung einer Gruppe von Pestiziden (Neonicotinoide) auf Hummeln untersucht. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass es die Vibrationen beim Pollensammeln, und somit auch das Summen, negativ beeinflusst. Dazu wurden Hummelkolonien überwacht, die durch diese Pestizide belastet waren. Die Forscher nahmen über einen längeren Zeitraum per Mikrofon das Summen auf. Danach analysierten sie das akustische Signal, das die Hummeln bei der Vibrationsbestäubung erzeugen, um Veränderungen im Summen festzustellen.
Die Wissenschaftler konnten im Laufe der Untersuchung feststellen, dass die Belastung durch die Pestizide die Vibrationen verringert. In der Folge ging die Menge der gesammelten Pollen zurück und damit auch die Menge an Nahrung für die Hummeln. Hummeln einer Kontrollgruppe, die den Pestiziden nicht ausgesetzt waren, lernten in ihrer Entwicklung nach und nach dazu, wie sie mehr Pollen sammeln und besser Blumen bestäuben können. „Die Hummeln, die mit den Pestiziden in Berührung kamen, entwickelten ihre Fähigkeiten nicht weiter“, so Dr. Penelope Whitehorn. Am Ende des Experiments sammelten sie zwischen 47 und 56 Prozent weniger Pollen als die Kontrollgruppe.
Jetzt wollen die Forscher herausfinden, was genau bei den Hummeln passiert. Ein Verdacht liegt nahe: Die aggressiven Pestizide wirken sich auf das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten von Hummeln aus. Beides jedoch sind wichtige Voraussetzungen für die komplexen Verhaltensweisen der Hummeln. Bei Bienen wurde schon in Studien nachgewiesen, dass bereits bei schwächerer Dosierung das Navigationssystem und das Lernen negativ beeinflusst werden und bei starker Dosierung Lähmungserscheinungen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ähnliche Wirkungen auch bei Hummeln gibt, ist also relativ groß.
Text: Oliver Jorzik (Earth System Knowledge Platform | ESKP), Dr. Penelope Whitehorn (Karlsruher Institut für Technologie | KIT)
Referenzen
Whitehorn, P. R., Wallace, C. & Vallejo-Marin, M. (2017). Neonicotinoid pesticide limits improvement in buzz pollination by bumblebees.Scientific Reports, 7:15562. doi:10.1038/s41598-017-14660-x
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.045
Veröffentlicht: 28.02.2018
Zitierhinweis: Jorzik, O. & Whitehorn, P. (2018, 28. Februar). Wenn die Hummel plötzlich schweigen. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 5. doi:10.2312/eskp.045