Mexiko hat eines der wenigen effektiven und funktionierenden Frühwarnsysteme für Erdbeben weltweit. Doch entscheidend sind die Entfernung eines Bebens zu einem städtischen Ballungszentrum sowie der Untergrund, auf dem es erbaut ist. So blieben den Bewohnern Mexiko-Stadts am 19. September 2017 nur circa 15 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Dicht besiedelt ist dieser Bereich Zentralmexikos: Im Umkreis von 115 km Radius um das Epizentrum leben insgesamt etwa 15 Millionen Menschen.

Das Erdbeben in Zentralmexiko hatte eine Magnitude von MW 7,1 und trat in einer Tiefe von 56 km auf. Die Lage und Tiefe des Hypozentrums, also dem Punkt von dem das Beben ausgeht, lassen vermuten, dass es sich bei dem Ereignis um ein Intraplattenbeben in der abtauchenden Cocos-Platte unter Mexiko handelt. Vor der pazifischen Küste Zentralmexikos taucht die ozeanische Cocos-Platte mit etwa 5-7 cm pro Jahr unter der nordamerikanischen Platte ab. Der Einfallswinkel der Subduktionszone im südlichen Bereich Zentralmexikos ist ungewöhnlich klein, so dass die Cocos-Platte über nahezu 300 km in geringer Tiefe unter Mexiko verläuft. Das Abflachen der Subduktion verursacht z.B. die relative Verlagerung der vulkanischen Kette in Mexiko in nordöstlicher Richtung. Neben diesem Typ von Erdbeben sind die Plattengrenze und der Küstenbereich selbst immer wieder von starken Überschiebungsbeben betroffen, welche auch Tsunamis auslösen können. Erst Anfang September wurde bei einem Starkbeben der Mw 8.1 vor der Küste Mexikos und Guatemalas ein kleiner Tsunami ausgelöst.

Wie gefährlich ein Erdbeben wird, hängt unter anderem davon ab, in welcher Tiefe der Erdbebenherd liegt. Häufig haben Beben keinerlei Konsequenzen für Menschen. Doch die aktiven Plattenränder ziehen sich entlang vieler dicht besiedelter Gebiete. Das verheerende Erdbeben von 1985 (M=8,0), welches insbesondere Mexiko-Stadt schwer traf, ereignete sich etwa 450 km westlich vom Erdbeben des 19. September 2017 und zwar auf der Plattengrenze selbst. Etwa 90% der Beben treten vorrangig an den Plattenränder auf, da es hier zu gewaltigen Kollisionen kommt. Wo diese besonders gefährdeten Regionen liegen, darüber informiert online die Global Hazard Map.

Das Merkblatt „Erdbeben“ des Deutschen GeoForschungsZentrums gibt ausführliche Tipps, was im Falle eines Erdbebens zu tun ist. Wir haben einige wichtige Informationen daraus zusammengestellt, damit besondere Gefahrensituationen erkannt werden können und der Einzelne im Notfall richtige Entscheidungen treffen kann.

Der Untergrund kann Beben verstärken

Die Lage bzw. der Untergrund von Gebäuden in seismologisch aktiven Gebieten spielt eine große Rolle. Denn je nach Untergrund wird ein und dasselbe Erdbeben ganz andere Wirkungen entfalten. So können Lockersedimente zu einer Verstärkung sowie zu einer Verlängerung der ankommenden Erdbebenwellen führen. Bei wassergesättigten Sanden, wie sie zum Beispiel in Flussdeltas vorzufinden sind, oder Löss- und Lehmböden, die eine sehr gleichmäßige Kornstruktur haben, kommt ein anderes Phänomen hinzu. Feuchte Böden dieser Art, die sich noch nicht über sehr lange Zeiträume verfestigen konnten, können sich durch die Druckwellen eines Erdbebens wie eine Flüssigkeit verhalten. Gebäude können daraufhin absacken, umkippen oder ihre Stabilität verlieren. Bodenwasser tritt an vielen Stellen zutage und Unmassen von Schlick können kurz nach dem Beben die Erdoberfläche schwemmen.

Aber auch die Lage eines Gebäudes entscheidet über dessen Gefährdung. Hotel- oder Ferienanlagen an Hängen sind besonders attraktiv, versprechen sie doch die beste Fernsicht. Genau dort jedoch treten Hangrutschungen nach einem Erdbeben erfahrungsgemäß wesentlich häufiger auf. Erst nach Monaten bzw. Jahren setzen sich die Erdmassen wieder und die Hangrutsch-Wahrscheinlichkeit fällt auf das ortsübliche Risiko zurück. Hanglagen zu meiden ist deshalb empfehlenswert. Hat man vor Ort die Wahl, dann sollten insbesondere auch keine Häuser bezogen werden, die in engen Gassen liegen. Denn auch wenn das eigene Wohnhaus nicht einstürzt, kann es das Haus gegenüber treffen. Kaum ausmachen lässt sich vor Ort, ob sich die eigene Unterkunft über unterirdischen Hohlräumen oder aktiven tektonischen Verwerfungslinien befindet. Dies kann sich im Falle eines Bebens aber als äußerst ungünstig erweisen. Hier kann nur eine eigene Literaturrecherche vorab helfen.

Fachwerkhäuser sind besonders stabil

In manchen erdbebengefährdeten Ländern bebt der Untergrund fast täglich (leicht und unmerklich). Die Standfestigkeit der Gebäude hängt entscheidend von deren Bauweise ab. „Erdbeben töten keine Menschen“, heißt es oft bei Experten, „es sind einstürzende Gebäude, die Menschen töten und verletzen.“ Doch nicht alle Gebäude sind gleich gefährdet. Beispielsweise haben unbearbeitete Naturbruchsteine ohne ausreichende Zementverfugung eine besonders geringe Widerstandsfähigkeit. Fachwerkbauten hingegen mit – mit leichten Dächern aus Wellblech oder leichten Holzkonstruktionen – sind wesentlich sicherer. Auch erhöhen kleinere Fenster die Stabilität der Gebäude. Und je symmetrischer ein Gebäude, desto besser. Einige Beispiele erdbebensicherer Hochhäuser werden im unten stehenden Film vorgestellt. Dabei handelt es sich allerdings um „Luxusbeispiele“, die auf hoher Ingenieurskunst fußen. Gezeigt werden Kompressoren, die schnell Luft unter Häuser pumpen oder Hunderte von Gummi-Sockeln, die die Schwingungen des Bodens kompensieren. Spektakulär ist das taiwanesische Hochhaus ‚Taipeh 101‘ mit seiner riesigen 600 Tonnen schweren vergoldeten Stahlkugel als Schwingungsdämpfer. In der Regel wird sehr viel Stahl oder Stahlbeton verbaut, um Hochhäuser sicher zu machen. Häuser ohne ausreichende Erdbebensicherung sind aber mitunter nicht leicht auszumachen. Der ESKP-Artikel „erdbebensichere Bauwerke“ gibt weitere Hinweise zu diesem Thema.

Was im Haus oder der Wohnung beachtet werden kann

Es gibt einige Tipps, wie Zimmer umgestaltet werden können, um sie erdbebensicherer zu machen. Insbesondere über Betten und Sitzgelegenheiten sollten keine schweren Gegenstände wie Spiegel oder Kronleuchter hängen. Auch massive Möbel in der Nähe von Ausgängen werden bei Erdbeben potentiell zur Falle. Verrutschen sie, blockieren schwere Möbelstücke die Fluchtwege. Wo sind Gas, Strom und Wasser abzuschalten? Das ist eine der wichtigsten Fragen, die man im Vorhinein bei angemieteten Häusern oder Wohnungen beantworten muss, um im Falle einer Erdbebengefahr schnell reagieren zu können. Denn Brände sind häufig die Folge von Erdbeben.

Was mache ich während des Erdbebens?

Im Moment des Bebens ist die Flucht aus dem Haus nur dann zu empfehlen, wenn die Tür direkt ins Freie, in den Garten und eine offene Fläche ohne weitere Häuser führt. Denn gerade im Moment des Bebens ist die Gefahr, von herabstürzenden Gegenständen, Ziegeln, Steinen verletzt zu werden, am größten. Ist der Weg nach außen versperrt oder zeitlich nicht mehr möglich, befinden sich die sichersten Zufluchtsorte im Haus unter einem soliden Tisch, unter einem stabilen Bett oder aber in einem verstärkten Türrahmen an einer tragenden Innenwand. Woran man tragende Innenwände erkennt? Im Zweifelsfall am Klang und der großen Stärke. Ein Hinweis ist auch, dass die tragenden Innenwände geschossweise übereinander liegen, um Kräfte abzuleiten. Meist können die Hausbesitzer weiterhelfen.

Unterwegs in der Stadt oder im Gelände ist während und nach Erdbeben die Erdrutsch- oder Steinschlaggefahr am Fuße von Steilhängen besonders groß. Brücken oder Unterführungen werden schnell in Mitleidenschaft gezogen und sind daher nur mit äußerster Vorsicht zu nutzen. Wie bei anderen Katastrophen auch, sollten nach Möglichkeit Unfall- und Katastrophenmeldungen über UKW-Radios verfolgt werden, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Denn Mobilfunknetze brechen in der Regel schnell zusammen und unnötig lange Telefongespräche sind in solchen Notfällen generell tabu.

Worauf muss nach einem Erdbeben geachtet werden?

Nach einem Beben muss vor allem mit regelmäßig auftretenden Nachbeben gerechnet werden. Auch bei Brücken oder Unterführungen besteht weiterhin Einsturzgefahr. In Küstenregionen sollten flache Strand- und Küstengebiete gemieden werden, bis eine endgültige Entwarnung für Tsunamis gegeben wurde. Muss die Stadt verlassen werden und ist ein Weiterkommen mit dem Auto aussichtslos, dann wird geraten, den Schlüssel bei der Flucht im Auto zu lassen, damit andere es wegbewegen können. Es ist ratsam, auch nach dem Beben aufmerksam zu bleiben, denn Brände bilden oftmals eine erhebliche Gefahr. Deshalb sollte man die Windrichtung beobachten und große Freiflächen ausmachen, die sich potentiell als wichtige Feuerschneise erweisen können.

In einer Notunterkunft oder am Sammelpunkt ist es hilfreich, andere EU-Angehörige zu finden und eine Liste aller Europäer zu erstellen, die sich an diesen Ort gerettet haben. Ist man gezwungen, länger in einer (Massen-)Notunterkunft auszuharren, so sollte peinlichst genau auf Hygiene geachtet werden. Wer länger in einem Erdbebengebiet bleibt oder lebt, hat am besten immer einen Koffer mit Taschenlampe, Zelt, Bargeld und Kreditkarten, Kugelschreiber und Notizblock, einem Kofferradio mit Ersatzbatterien, Handy, Erste-Hilfe-Kasten, Medikamenten, A-B-C Feuerlöscher, haltbaren Nahrungsmitteln, Büchsenöffner und Trinkwasser griffbereit im Haus parat. Der Vorrat an Trinkwasser sollte mindestens drei Tage umfassen. Circa vier Liter Wasser müssen pro Tag und Person eingeplant werden, denn auch für längere Fußmärsche muss das Wasser reichen. Festes Schuhwerk und warme Kleidung, Schlafsäcke und Thermomatten, Ausweispapiere und ein Stadtplan vervollständigen die im Gefahrenfall lebensrettende Grundausstattung.

Text: ESKP - Jana Kandarr sowie GFZ-Poster: „Schadensbeben in Zentralmexiko M 7,1“ (19. September 2017), Sektion 2.1 Erdbeben- und Vulkanphysik, Sektion 2.4 Seismologie, Sektion 2.6 Erdbebengefährdung und Spannungsfeld

Weiterführende Informationen

  Bormann, P. (2019). Merkblatt Erdbeben. Was mache ich, wenn in Starkbebengebieten die Erde bebt?  (Vers. 07/19). Helmholtz-Zentrum Postdam – Deutsche GeoForschungsZentrum – GFZ [Infothek des GFZ, www.gfz-potsdam.de]. Aufgerufen am 13.04.2021.

  Kandarr, J. (2018). Smarte technische Textilien schützen Häuser bei Erdbeben. ESKP-Themenspezial Metropolen unter Druck. So werden Städte zukunftsfähiger [themenspezial.eskp.de]. Aufgerufen am 13.04.2021.

  Pittore, M. (2018). Gegenwart und Zukunft von Frühwarnsystemen für Erdbeben. ESKP-Themenspezial Metropolen unter Druck. So werden Städte zukunftsfähiger [themenspezial.eskp.de]. Aufgerufen am 13.04.2021.

  [W] wie Wissen. (2017, 25. Februar). Luftkissen, Pendel und Co.: Erdbebensicheres Bauen [ARD, Video, verfügbar bis 25.02.2022]. Abgerufen von www.daserste.de

Veroffentlicht: 30.09.2017, 4. Jahrgang

Zitierhinweis: Kandarr, J. & Deutsches GeoForschungsZentrum – GFZ. (2017, 30. September). Unterwegs in Risikoregionen: Wie verhalte ich mich bei einem Erdbeben? Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 4https://www.eskp.de/naturgefahren/verhalten-bei-erdbeben-935957/

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft