Tornados sind in Deutschland kein seltenes Wetterphänomen. Auch in diesem Jahr wurden schon Windhosen gesichtet, etwa im unterfränkischen Kürnach als Anfang März 2017 ein Tornado die Dächer von fast 60 Häusern beschädigte. Gerade in den Sommermonaten treten in unseren Breitengraden immer wieder schadenträchtige Tornados auf. Ein Blick in die Wetterhistorie zeigt, was sie anrichten können. Im Mai 2015 kam es zu schweren Schäden in mecklenburgischen Bützow mit einem geschätzten Schadensvolumen von 40 Millionen Euro. Im gleichen Jahr fegte ein Tornado mit fast 250 Stundenkilometern Geschwindigkeit über mehrere Ortschaften bei Augsburg hinweg, durch den fast 180 Häuser beschädigt wurden. Pfingsten 2010 verursachte ein Tornado in Brandenburg und Sachsen Schäden an 3.000 Gebäuden. Dieser Tornado hatte die vermutete Stärke F3 und eine Geschwindigkeit von fast 300 Stundenkilometern. Über Pforzheim (Baden-Württemberg) zog am 10. Juli 1968 ein Tornado mit geschätzten maximalen Windgeschwindigkeiten von fast 400 km/h hinweg. Ein Jahrhundert-Tornado soll laut historischer Auszeichnungen im Frühsommer 1764 einen Landstrich in Mecklenburg heimgesucht haben. Historischen Quellen zufolge wird für diesen Tornado rund um Feldberg eine mögliche Stärke F5 angenommen. Er gilt als stärkster bekannter Tornado in Deutschland.

Bis zu 60 Tornados im Jahr in Deutschland

Tornados werden international mit der sogenannten Fujita-Skala klassifiziert. Sie ist unterteilt in die Stufen F0 bis F12. Die Werte F6 bis F12 sind allerdings nur theoretische Werte, die bis dato nicht gemessen wurden. Der  Tornado in Bützow wird der Stufe F3 (ab 254 km/h) zugeordnet, der Sturm in Pforzheim gar der Stufe F4 (ab 333 km/h). F4 oder F5-Tornados – also Tornados mit enormer Zerstörungskraft – sind in Deutschland jedoch selten. Anders in den USA. Dort treten im Mittleren Westen mehrfach im Jahr Stürme mit mehr als 500 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit auf. In den USA kommt es pro Jahr durchschnittlich zu 1.100 Tornadoereignissen (Brooks, 2013). Pro Jahr treten in Deutschland schätzungsweise zwischen 20 und 60 Tornados auf. Europaweit sind es nach Angaben der European Severe Weather Database (ESWD) etwa 300 bis 500 Ereignisse pro Jahr.

Seit dem Jahr 2007 wird in den USA die Enhanced Fujita-Skala (EF) angewendet. Diese Skala teilt Tornados anhand ihres Schadensbildes ein, das sie hinterlassen. Die EF-Skala hat sechs Stufen (von EF0 bis EF5), beginnt aber bei höheren Geschwindigkeiten (EF0: 105 - 137 km/h) und endet bei geringeren (EF5: > 323 km/h).

Enhanced Fujita-Skala (EF)

Klasse

Geschwindigkeit (km/h)

Wahrscheinlichkeit des Auftretens (%)

EF0

105–137

53,3

EF1

138–178

31,6

EF2

179–218

10,7

EF3

219–266

3,4

EF4

267–322

0,7

EF5

> 323

0,1

 

Doch was sind Tornados genau? Es handelt sich im Regelfall um kurzzeitige und kleinräumige Wirbelstürme (wenige 10 m bis maximal 1 km Durchmesser) extremer Stärke, die meist in Verbindung mit Gewittern auftreten. Meist wachsen sie als schlauchartiger, rotierender "Rüssel" aus einer Gewitterwolke (meist einer Superzelle) nach unten heraus. Sie haben selten eine Lebensdauer von mehr als ein paar Minuten und verlagern sich wie die Gewitterwolke mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 50-60 km/h. Allerdings können auch erheblich größere oder langsamere Verlagerungsgeschwindigkeiten auftreten.

Generell können Tornados überall in Deutschland auftreten. Anders als in den USA, wo die „Tornado Alley“ rund um die Bundesstaaten Oklahoma, Kansas, Missouri, Nebraska, South Dakota und Texas existiert, in der sich die Anzahl von Tornados stark häufen. In dieser fast 2.000 Kilometer breiten Region beiderseits des Mississippis kommt es jedes Jahr zu einer großen Anzahl von Tornados. Am dritten Maiwochenende 2015 registrierte der US-amerikanische Wetterdienst rund 30 Tornados, die vor allem in Oklahoma und Texas auftraten. Eine derartige Tornadostraße gibt es in Deutschland nicht. Die Verteilung der Tornados ist über das ganze Bundesgebiet relativ gleichmäßig.

Der Deutsche Wetterdienst betreibt in Deutschland Wetterradargeräte  an 17 verschiedenen Standorten. Mit modernen Doppler-Radargeräten lassen sich  rotierende Gewitterwolken (sogenannte Superzellen) identifizieren, die gelegentlich auch Tornados hervorbringen. Verdächtige Signaturen und Rotationen tauchen auf dem Radarbild manchmal schon eine Stunde vorher auf. Exakte Vorhersagen darüber, ob und wann ein Tornado Bodenkontakt bekommt und welche Intensität er erlangt, sind jedoch noch nicht möglich. Der Deutsche Wetterdienst kann nach eigenen Angaben auf ein erhöhtes Tornadorisiko maximal 18 Stunden vorher hinweisen.

Das richtige Verhalten bei Tornados

Tornados treten in vielen Regionen der Welt jedes Jahr auf, auch hier in Deutschland. Zwar lassen sie sich nicht vorhersagen, aber es gibt einige Möglichkeiten, sich vor ihnen zu schützen. Die Wissensplattform Erde und Umwelt hat grundlegende Verhaltenstipps zusammengestellt.

Artikel lesen

Zunahme der Tornadohäufigkeit?

Wie bei allen Extremereignissen gilt auch für Tornados: Die Variabilität der Häufigkeit ihres Auftretens ist von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterworfen. In manchen Jahren treten sie gar nicht auf, in anderen sind die atmosphärischen Voraussetzungen zu ihrer Entstehung häufiger gegeben. Die Aussagen über eine Zunahme der Tornadohäufigkeit in den vergangenen Jahrzehnten sind jedoch schwer zu verifizieren und die Dunkelziffer ist hoch. Dies hat mehrere Gründe: Es gibt einerseits kaum direkte Beobachtungen von Tornados. Auch können Tornados in der Nacht auftreten. Zudem beruhen Tornado-Informationen aus früherer Zeit auf Augenzeugenberichten und teilweise mehreren hundert Jahre alten Chroniken. Auch lassen sich die Zerstörungen nicht immer eindeutig einem Tornado zuordnen, sondern können auch einem Gewitter oder "normalen" Böen in Orkanstärke angelastet werden. Grundsätzlich aber lässt sich festhalten: "Sollten Wetterlagen, die günstige Entstehungsbedingungen beispielsweise für Superzellen schaffen, häufiger werden, dann gilt das auch für Tornados", sagt Diplom-Meteorologe Bernhard Mühr vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Wo finde ich bei einem Tornado Schutz?

Schutz vor Tornados bieten in erster Linie gut gesicherte Kellerräume mit einer festen Decke, da ein Tornado dieser Stärke nicht nur Holzhäuser, sondern auch Steinbauten bis auf die Grundmauern zerstören kann. Gefährlich sind vor allem die geschossartig herum fliegenden Gegenstände, die der Tornado kilometerweit mit sich führt. Daher sollte man sich auch nicht in der Nähe von Fenstern oder Türen aufhalten. Selbst Asphaltdecken halten einem starken Tornado nicht immer Stand. In freier Natur empfiehlt es sich, dem Tornado auszuweichen, da aufgrund der kleinräumigen Ausdehnung des Tornados bereits ein Abstand von einem Kilometer relative Sicherheit bietet. Ist es hierfür zu spät und man wird von einem Tornado überrascht, hilft es, sich flach auf den Boden zu legen, um nicht von Trümmerteilen getroffen zu werden. Autos bieten keinen hinreichenden Schutz. Sie können von einem starken Tornado problemlos in die Höhe gehoben werden. Und die Insassen sind zudem durch umstürzende Bäume und umherfliegende Gegenstände gefährdet. Informationen zu einem erhöhten Tornadorisiko in der eigenen Region bietet der Deutsche Wetterdienst DWD an. Alternativ steht die kostenlose DWD Warnwetter-App, für iOS, Android, Windows und Blackberry als Download zur Verfügung.

Quelle
Brooks, H.E., Carbin, G.W., and Marsh, P.T., 2014: Increased variability of tornado occurrence in the United States. Science, 346 (6207), 349-352, DOI: 10.1126/science.1257460

Weiterführende Links:
Wettergefahren-Frühwarnung/ Archiv extremer Wetterereignisse

Text: Karl Dzuba, Wissensplattform Erde und Umwelt, fachliche Durchsicht Dipl. Met. Bernhard Mühr (KIT)

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft