Für den Mittelmeerraum sind einige Tsunami in der Vergangenheit dokumentiert - 1755 Lissabon, 1908 Messina/Sizilien, 1956 Amorgos/Ägais und 2003 Nord-Algerien, Mallorca. Tsunami werden durch starke untermeerische Erdbeben, Hangrutschungen oder Vulkanausbrüche ausgelöst. Die Anrainerstaaten möchten deshalb für einen Ernstfall gerüstet sein. Gemeinsam mit vielen Nachbarstaaten, die zwar keine Mittelmeerküsten haben, dafür aber zahlreiche Urlauber in der Zielregion, führen sie deshalb regelmäßig Katastrophenschutzübungen durch.

NEAMWave14 - Katastrophenschutzübung für den Fall eines Tsunami

Vom 28. bis 30. Oktober 2014 wurden in einer solchen Übung mehrere Szenarien durchgespielt, um die Erfassung eines Tsunami, die Weiterleitung von Warnmeldungen über Landesgrenzen hinweg sowie die Planung des Katastrophenschutzes zu trainieren.

Auch deutsche Behörden und Forschungseinrichtungen beteiligten sich an der Übung. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg als nationaler Tsunami-Kontaktpunkt und das gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund- und Ländern (GMLZ) in Bonn nahmen aktiv an dieser Übung teil.

Derartige Übungen finden regelmäßig und weltweit statt: im Indischen und Pazifischen Ozean, in der Karibik und im Mittelmeerraum einschließlich des Nordatlantiks. Für die letztgenannte Region bereits zum zweiten Mal. Eine erste Übung wurde im Herbst 2012 erfolgreich realisiert. Der Name der Übung resultiert aus der Region (NEAMWave14: North-East Atlantic and Mediterranean).

In der Übung am Nachmittag des 29. Oktobers des griechischen Warnzentrums NOA (Nationales Observatorium Athen) wurde von einem Tsunami-Szenario, ausgelöst durch ein Erdbeben der Magnitude 8,5, vor der Westküste Kretas ausgegangen.

In den drei Phasen A, B und C nehmen verschiedene Akteure jeweils unterschiedliche Aufgaben wahr. In der Mittelmeerregion gibt es aktuell mit Frankreich, Italien, Griechenland und der Türkei vier „Candidate Tsunami Watch Provider“. Ab Dezember 2014 kommt Portugal hinzu. Dieser Länderverbund soll aufgrund der regionalen Nähe zum Erdbeben eine mögliche Tsunamigefährdung an ihren Küstenregionen schnellstmöglich erkennen und an die Anrainerstaaten über verschiedene Kommunikationswege (u. a. E-Mail, Fax, GTS: Global Tracking System) weitergeben. Die Weitergabe der Tsunamiwarnung an benachbarte nationale Behörden (in Deutschland das BSH) ist ein Teil der Übung (Phase A). Von diesen wird die Warnung an die für den Katastrophenschutz und Notfallmaßnahmen (GMLZ) zuständigen nationalen Behörden weitergegeben (Phase B).

Im Anschluss wird entschieden, ob und wie Regionen evakuiert werden können und welche Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden (Phase C).

Dr. Alexander Rudloff vom Deutschen GeoForschungsZentrum hat nicht nur dieses Jahr, sondern bereits in 2012 die NEAMWave-Übungen als Beobachter begleitet und erklärt die Bedeutung einer solchen europäischen Maßnahme.

Warum muss ein derartiger Prozess der Informationsweitergabe geübt werden?
Nur durch die ständige Übung und ein verstärktes Bewusstsein für den Katastrophenfall wird es gelingen, dass die notwendigen Abläufe dann auch nahezu reibungslos funktionieren werden. Außerdem geht es darum, dass die Inhalte der Nachrichten so verstanden werden, dass die beteiligten Dienste wissen, was zu tun ist.

Können Sie schon sagen, was im Vergleich zur Übung vor 2 Jahren verbessert werden konnte?
Auf jeden Fall die Einbindung der jeweiligen nationalen Bevölkerungs- und Katastrophenschutzeinrichtungen untereinander sowie auf europäischer Ebene. Dazu wurde für NEAMWave14 die Phase C eingebaut (s. Abbildung). Hier zeigt sich auch die Handschrift der beiden Vorsitzenden der vorbereitenden Arbeitsgruppe, die aus Ministerien bzw. Katastrophenschutzeinrichtungen kommen.

Haben sich dieses Jahr die gleichen Partner und Länder beteiligt?
Nach Angaben der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) haben sich diesmal 21 von 39 möglichen Mitgliedsländern in Europa, in der Levante sowie in Nordafrika beteiligt. Da ist „noch Luft“ nach oben drin, eine Quote von knapp über 50% kann nicht wirklich zufrieden stellen. Verglichen mit 2012 haben sich immerhin zwei Länder mehr beteiligt, immerhin ein kleiner Erfolg.

Wo sehen Sie noch Defizite bei der Weitergabe der Warnung?
Leider ist es uns auch diesmal trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, die nordafrikanischen Staaten stärker mit einzubinden. Wer nicht am Prozess beteiligt ist, wird möglicherweise eine Information oder Warnung gar nicht empfangen.
Die Detailauswertung der NEAMWave14-Übung wird ab sofort beginnen, mit ersten Ergebnissen rechne ich Mitte November. 

Wie lange im Voraus wird eine solche 2-tägige Übung geplant?
Hier gilt das abgewandelte Zitat: "Nach einer Übung ist vor der (nächsten) Übung". Bereits Ende 2012, also nach der NEAMWave12-Übung, hatte sich die betreffende Arbeitsgruppe (Task-team) der UNESCO-Sektion für den Mittelmeerraum, den Nordatlantik und die angrenzenden Meere mit der Vorbereitung dieser jetzigen Übung befasst.

Mehr Informationen können Sie in englischer Sprache bei der UNESCO nachlesen.

Text und Fragen: Dr. Ute Münch, Wissensplattform "Erde und Umwelt"

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