Gewitter sind besonders in den Sommermonaten ein prägender Bestandteil des Wettergeschehens in Europa. Neben Blitz und Donner können sie mit vielfältigen weiteren Begleiterscheinungen wie Starkniederschläge, Hagel und Sturmböen bis hin zu Tornados einhergehen. In Süddeutschland verursachen diese Wetterphänomene den größten Anteil aller versicherten Schäden durch Naturgefahren. Eindrucksvolle Beispiele hierfür sind das Hagelunwetter1 von Reutlingen am 28. Juli 2013 oder die Sturzflut2 von Braunsbach am 29. Mai 2016.

Wie häufig es zu Gewittern kommt, hängt einerseits stark von der Region ab. Andererseits treten aber auch deutliche Unterschiede von Jahr zu Jahr auf. Forscher des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) und des Centers for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben hochaufgelöste Daten von Blitzeinschlägen während des Sommerhalbjahrs statistisch ausgewertet, um diese räumliche und zeitliche Variabilität zu quantifizieren und deren Ursachen besser zu verstehen3. Der verhältnismäßig lange Bezugszeitraum von 14 Jahren (2001-2014) und die hohe Genauigkeit der Daten, die vom Blitzinformationsdienst der Firma Siemens bereitgestellt wurden, ermöglichen dabei besonders aussagekräftige Analysen.

Gewittertage: ein Schwerpunkt westlich und östlich von Garmisch-Partenkirchen

Auf Deutschland bezogen treten im Mittel die meisten Gewittertage am Alpenrand und im Alpenvorland auf, mit einem Schwerpunkt westlich und östlich von Garmisch-Partenkirchen. Weitere hervorstechende Maxima befinden sich zwischen Neckar und Schwäbischer Alb, im Erzgebirge sowie im Bayerischen Wald. Am seltensten treten Gewittertage dagegen entlang der Nord- und Ostseeküste auf, speziell in der Umgebung von Kiel.

Bei zusätzlicher Betrachtung von Österreich, der Schweiz, den Benelux-Ländern und Frankreich zeigt sich, dass die mittlere Zahl der Gewittertage von Nordwesten nach Südosten hin kontinuierlich zunimmt. Diesem Grundmuster überlagern sich markante Strukturen durch die Gebirge. So werden die meisten Gewittertage in Teilen der österreichischen Südalpen sowie in einem Streifen vom Tessin bis in das Umland von Turin beobachtet. Zugleich gibt es innerhalb der Alpen einige tief eingeschnittene Täler, in denen nur sehr selten Gewitter beobachtet werden, beispielsweise im oberen Rhonetal.

Ursachen für dieses räumliche Muster

Dieses räumliche Muster wird von drei Faktoren gesteuert: der Entfernung vom Meer, der lokalen Orografie (Einfluss des Geländes auf die Wetterentwicklung) und einer ausreichenden Verfügbarkeit bodennaher Feuchte. Das Meer hat einen gewitterhemmenden Einfluss, da das Wasser im Sommer die unteren Luftschichten kühlt und somit stabilisiert. Dagegen wirken in gebirgigem Gelände vielfältige Hebungsantriebe, die die Luft zum Aufsteigen zwingen und dadurch die Gewitterentstehung fördern. Ist ein Gebiet allerdings als Folge vorgelagerter Gebirge von der Feuchtezufuhr abgeschnitten, können sich dort nur in Einzelfällen Gewitter entwickeln.

Gewitter im Tages- und Jahresgang

Räumliche Unterschiede prägen auch die tages- und jahreszeitlichen Verläufe der Blitzaktivität. Diese kulminiert in den meisten Regionen am Nachmittag oder frühen Abend, wobei der genaue Zeitpunkt innerhalb eines Intervalls von 15 bis 20 Uhr deutlich variiert. Daneben spielen mancherorts, wie zum Beispiel am Bayerischen Alpenrand, nächtliche Gewitter eine wichtige Rolle, in anderen Gebieten bleiben sie hingegen fast vollständig aus. Die Gewitter-Hochsaison bilden fast überall die Monate Juni bis August mit einem Höhepunkt im Juli. Eine markante Abweichung von diesem Muster tritt dagegen über dem Mittelmeer auf. Hier ist der September der blitzreichste Monat, da sich das Meerwasser im Herbst langsamer abkühlt als die Luft und deshalb labilisierend wirkt.

Zusammenhang mit natürlicher Klimavariabilität

Die Analyse der Daten zeigt darüber hinaus, dass die Gewitteraktivität in den einzelnen Regionen einer starken mehrjährigen Variabilität unterliegt. Dieses langzeitliche Verhalten konnten die Forscher teilweise auf die natürliche Variabilität des Klimasystems zurückführen. Dazu untersuchten sie den Einfluss verschiedener atmosphärischer Telekonnektionen, wie zum Beispiel der Nordatlantischen Oszillation (NAO), auf die räumliche Verteilung der Gewitterhäufigkeit. Dabei ergab sich, dass Zeiträume, in denen sich der NAO-Index in seiner positiven Phase befindet, vielerorts weniger Gewittertage aufweisen als im Mittel. Der Grund hierfür ist das Vorherrschen ausgeprägter Hochdruckrücken während der positiven NAO-Phase, wodurch es seltener zu dynamischer Hebung und der Auslösung von Gewittern kommt.

Quellen

 1 Kunz, M., Blahak, U., Handwerker, J., Schmidberger, M., Punge, H.J., Mohr, S., Fluck, E., Bedka, K.M. (2017): The severe hailstorm in SW Germany on 28 July 2013: Characteristics, impacts, and meteorological conditions. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society 144(710). pp. 231-250. Link

 2 Piper, D., Kunz, M., Ehmele, F., Mohr, S., Mühr, B., Kron, A., Daniell, J. (2016): Exceptional sequence of severe thunderstorms and related flash floods in May and June 2016 in Germany. Part I: Meteorological background. Natural Hazards and Earth System Sciences 16(12). pp 2835-2850. Link

 3 Piper, D., Kunz, M. (2017): Spatio-temporal variability of lightning activity in Europe and the relation to the North Atlantic Oscillation teleconnection pattern. Natural Hazards and Earth System Sciences 17(8). pp 1319-1336. Link

Das Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung des KIT.

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