Die Corona-Pandemie führt uns zahlreiche Lehren vor Augen. An erster Stelle steht auf der persönlichen Ebene der hohe Wert der Gesundheit – ein Gut, dass uns nur zu oft als selbstverständlich erscheint. Auf sozialer Ebene ist ebenfalls offenbar geworden, wie schnell einzelne Bereiche der Gesellschaft zu Schaden kommen können: sei es das Gesundheitssystem durch ein galoppierendes Infektionsgeschehen oder auch Wirtschaft, Bildung und Kultur aufgrund von Einschränkungen, die sich aus den Gegenmaßnahmen ergeben.

Doch mitnichten handelt es sich bei diesen Lehren nur um neue Erkenntnisse, die zuvor lebende Generationen noch nie gemacht hätten, die ein ähnliche Situation durchlebt haben. Und das ist eine weitere große Lehre aus der Covid-19-Pandemie: während die Menschen des 14. Jahrhunderts bis zum Auftreten der Pest nicht einmal eine Vorstellung über eine Krankheit und ihre Ursachen hatten, die Landstriche ausradieren kann (Tuchmann, 2010), war spätestens seit dem Millennium das Auftreten einer lähmenden Pandemie unter Experten ein diskutierter Topos, auf den auch öffentlich – zum Beispiel im Sicherheitspolitischen Weißbuch 2016 – hingewiesen wurde (BMVg, 2016, S. 44-45). Dennoch wurde eine angemessene Prävention in den letzten Jahren vernachlässigt, wie an den zwei zentralen Lehren abzulesen ist, um die es im Folgenden gehen soll: veraltete Pandemiepläne sowie keine aktuellen Übungserfahrungen.

Influenza-Szenarien bestimmten die vorhandenen Pandemiepläne

Als sich Ende Februar 2020 das Infektionsgeschehen zu einer Pandemie ausweitete, griffen Behörden und Wirtschaftsunternehmen auf vorhandene Pandemiepläne zurück. Einige der darin enthaltenden Standards zur Vorsorge waren ohne Weiteres auf die Corona-Pandemie übertragbar, so zum Beispiel das Hände waschen. Dafür fielen einige Schwachstellen auf:

  1. Viele der Pläne waren in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts verfasst worden und damit mehr als zehn Jahre alt (siehe Infobox Pandemie-Pläne). Der aktuelle Stand des Wissens und der Forschung kann in ihnen naturgemäß nicht mehr repräsentiert sein.
  2. Ein erheblicher Teil dieser Pläne war auf eine Influenza ausgerichtet. Daraus ergaben sich andere Prämissen im Vergleich zu der aktuellen Corona-Pandemie. So wurde in den Plänen die zu erwartende Dauer einer Grippewelle meist mit acht bis zehn Wochen angegeben. Derzeit befindet sich Deutschland in einer zweiten Welle, deren gesundheitliche Folgen die der ersten Welle bereits erheblich übertreffen und die mindestens den weiteren Winter anhalten wird.
  3. Auch hinsichtlich der schnelleren Verfügbarkeit eines Impfstoffs gibt es einen Unterschied zwischen der Grippe und Covid-19. Dass innerhalb von Jahresfrist mehrere Unternehmen einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 anbieten können, ist als wissenschaftliche Großtat zu bewerten. Es war zu Beginn der Pandemie keineswegs sicher, dass ein Impfstoff so schnell bzw. überhaupt verfügbar sein würde. In den Plänen zu einer Influenza-Epidemie wird dagegen die rasche Verfügbarkeit eines Impfstoffes aufgrund der vorhandenen Forschung als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Die Pandemiebekämpfung von SARS-CoV-2 konzentriert sich weiterhin vor allem auf das Management von Lockdown-Maßnahmen und Abstandsregelungen zur Überbrückung der Zeit, bis ein Impfstoff vorliegt bzw. in Gesamtbevölkerung wirksam wird.
  4. Die Katastrophenpläne waren stark aus dem Blickwinkel staatlicher Sicherheitsvorsorge geschrieben. Für Unternehmen legte zumindest als Extra-Handreichung die Broschüre „Betriebliche Pandemieplanung“ einen Fokus auf das Hygiene-Management – aber auch sie gehört dem Jahrgang 2007 an, eine zweite Auflage erschien 2010.
  5. Die in den Nuller-Jahren erstellten Pläne repräsentieren naturgemäß auch nicht den Stand der aktuellen technischen Entwicklung, insbesondere im Bereich der Digitalisierung. So war vor zehn Jahren Homeoffice zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs höchstens eine Ausnahme-Option. Auch die Auswirkungen der sozialen Medien und damit die Rolle von „Fake-News“ konnten noch nicht reflektiert werden.

Aufgrund der Corona-Pandemie haben einige Bundesländer ihre Pläne inzwischen überarbeitet und aktualisiert. Es wäre wünschenswert, dass in Zukunft weitere Updates regelmäßig und in kürzeren Abständen und nicht erst bei der nächsten Epidemie oder Pandemie erfolgen.

Infobox Pandemie-Pläne

Die Pandemiepläne der 16 Bundesländer sind unter anderem gesammelt auf einer Internetseite des Robert-Koch-Instituts zu finden. Dabei führen allerdings nicht alle Links zum jeweiligen Dokument (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland). Der Großteil trägt von ihnen weiterhin den Fokus Influenza im Titel – entweder weil eine Überarbeitung weiterhin aussteht oder aber Aktualisierungen unter Beibehaltung der Überschrift erfolgten.

Die einzigen Pläne, die sich nicht auf eine pandemische Grippewelle konzentrieren, sondern allgemein gehalten sind, stammen aus Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Seit März 2020 sind inzwischen Aktualisierungen erfolgt bei den Plänen aus Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Alle Dokumente stellen an erster Stelle das Krisenmanagement staatlicher Behörden und dazugehörend die Rechtsgrundlagen, Strukturen und Zuständigkeiten dar. Weiterhin stehen medizinische Aspekte zur Diagnostik und Versorgung im Vordergrund. Eher als knapper Zusatz am Ende sind mitunter Kapitel zur Planung für Betriebe sowie zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit finden. Bei letzterem sticht Sachsen-Anhalt progressiv heraus, da sich der Herausforderung von Risiko- und Krisenkommunikation gewidmet wird.

Bei Empfehlungen zur Schließung bzw. zu alternativen Lehr- bzw. Erziehungsmodellen für den Schul- und Kindergartenbetrieb herrscht allerdings Fehlanzeige. Das Land Hessen hat für Justizvollzugsanstalten einen separaten Influenzapandemieplan veröffentlicht.

Für eine länderübergreifende Pandemiebewältigung unter Einbeziehung des Bundes steht der Nationale Pandemieplan zur Verfügung. Er umfasst eine Beschreibung der Strukturen und Maßnahmen nach gleichem Muster wie die jeweiligen Länderpläne. Er konzentriert sich ebenfalls auf eine Influenza-Erkrankung und ist vor mehr als zehn Jahre veröffentlicht worden. Eine letzte Aktualisierung erfolgte 2017 bzw. 2016 für den zweiten Teil, der die wissenschaftlichen Grundlagen umfasst.

Die LÜKEX-Übung 2007

Im Hinblick auf Notfallübungen sieht die Lage ähnlich aus. Die gute Nachricht: ja, die staatlichen Institutionen haben das Thema Pandemie beübt. Die schlechte: ebenfalls vor mehr als zehn Jahren.

Die letzte größere, sprich bundesweite Pandemieübung war die Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise), kurz LÜKEX im Jahr 2007. Bei dem zugrunde gelegten Szenario ging man von einer Grippeerkrankung und ihrer erwartbaren Entwicklung aus. Der Bund und einzelne Länder befassten sich an zwei Szenario-Tagen mit dieser Übung (s. Infobox LÜKEX).

  1. Wer 2007 an der LÜKEX teilnahm, wird sich heute kaum noch detailliert an die geübten Abläufe erinnern können. Gleichwohl lohnt es sich, den Auswertungsbericht der LÜKEX 2007 zur Hand zu nehmen. Als Schlussfolgerung aus der Übung heißt es dort, die Übung „habe deutlich gemacht, dass im bereichsübergreifenden Krisenmanagement und in der Weiterentwicklung der Pandemieplanung insbesondere im nicht-medizinischen Bereich immer noch Optimierungsbedarf besteht.“ (BBK & Projektgruppe LÜKEX, 2008, S. 52). Im Folgenden werden Schwachstellen genannt, die nach mehr dreizehn Jahren klingen als seien sie eher der aktuellen Corona-Pandemie entsprungen: Meldewesen, Informationsmanagement inklusive prognostischer Lagebeurteilung, ressortübergreifendes Krisenmanagement, aussagefähiges länderübergreifendes Lagebild unter Nutzung eines auf Indikatoren gestützten Instruments. Durch LÜKEX offengelegte Defizite im Gesundheitssektor waren aber nicht ein nur auf eine pandemisch bedingte Überlastung zurückführen. Die Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin e. V., die 2007 in der Arbeitsgruppe Notfall- und Katastrophen-Pharmazie teilnahm, hielt in ihrem eigenen Abschlussbericht als eine Ursache für die Mangelversorgung im Pandemiefall fest: „zu geringe Lagerbestände bei den Herstellern („just in time“-Produktion) und Händlern, nicht ausreichende Vorbereitungen auf eine Influenza-Pandemie, das Fehlen von Notfallvorräten“ (Wagner, 2007, S. 2).
  2. Auch spätere Übungen zeigten Probleme im deutschen Gesundheitssystem auf, beispielsweise die Übung 2009/2010: „Terroristische Bedrohung mit konventionellen Sprengstoffen, chemischen und radioaktiven Tatmitteln („schmutzige Bombe“)“. Allerdings erschlossen sich die Erkenntnisse zu fehlenden oder mangelnden Kapazitäten wie zum Beispiel Brandbetten vornehmlich den Teilnehmenden durch Gespräche im Übungsverlauf. Als Weckrufe für die Politik fanden sie zu selten ihren Weg in die Abschlussberichte und wenn, dann nur in allgemein gehaltenen Formulierungen.
  3. Ein weiterer im offiziellen Abschlussbericht 2007 festgestellter Befund lautete: „Bereits in der Übungsvorbereitung wurde deutlich, dass detaillierte, wissenschaftliche fundierte Erkenntnisse bezüglich des Nutzens von Barrieremaßnahmen mittels Mund-Nasen-Schutz (MNS) bzw. Masken für die Allgemeinbevölkerung fehlen“ (BBK & Projektgruppe LÜKEX, 2008, S. 46). Mit dieser über zehn Jahre alten Feststellung steuerte Deutschland Anfang 2020 in die Pandemie. Die Folge war eine anfängliche öffentliche Debatte über Sinn und Zweck von Atemschutzmasken aufgrund unklarer Nützlichkeit. Mittlerweile besteht kein Mangel mehr an Studien, die den Nutzen von MSN als Infektionsbarriere aufzeigen. Als Beispiel kann hier eine in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie genannt werden (Zhang et al., 2020). Sie kommt zu dem Schluss, dass der Mund-Nasen-Schutz zu einem schnelleren Infektionsrückgang in China während des ersten Ausbruchs von Covid-19 führte.
  4. Wer bei der LÜKEX 2007 zudem der Arbeitsgruppe der Hilfsorganisationen beiwohnte, erlebt aktuell im Zuge der anlaufenden Covid-19-Impfkampagne ein Déjà-vu. Bereits damals diskutierten Vertreter der Malteser, Johanniter, des DRK etc., ob dezentrale Ansätze zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen könnten, beispielsweise durch eine Versorgung der Hausärzte. Diese hochspannende Debatte ergab sich jedoch wieder nur aus der Übungssituation heraus, fand also nur unter Anwesenden statt und findet sich nicht im Auswertungsbericht wieder. Dort heißt es zu dem Aspekt des Impfens: „Zu den Übungskünstlichkeiten gehörte, dass logistische Fragen bei der zukünftigen vereinbarten Impfstrategie nicht berücksichtigt wurden.“ – immerhin gefolgt von dem Appell, diesbezüglichen Planungen sollten weiter vorangetrieben werden (BBK & Projektgruppe LÜKEX, 2008, S. 46). Wie derzeit festzustellen ist, wird dreizehn Jahre später unverändert einem zentralen Ansatz Vorrang gegeben. Die Länder bauen Impfzentren, während das Bundeskriminalamt gleichzeitig vor einer Gefährdung an diesen Massenansammlungspunkten warnt. Sicherheitsvorsorge wird auch hier wieder als vorrangige Aufgabe staatlicher Institutionen verstanden und durchgeführt. Maximal die Einbeziehung von Hilfsorganisationen ist als vernetzter und ressortübergreifender Ansatz zu erwarten. 
  5. Dass die psychosozialen Aspekte im Verlauf einer Pandemie nicht zu vernachlässigen sind, ergab sich ebenfalls als ein Resümee aus der LÜKEX 2007. Allerdings sind die dazu im Bericht enthaltenen Passagen häufig Lückenmarker. So sagt der Bericht: „Für das mutmaßliche Verhalten der Bevölkerung, das bei Entscheidungen der Krisenstäbe und in der Krisenkommunikation zu berücksichtigen ist, gab es in der Übung mit Ausnahme der Darstellungen in den Übungsmedien keine geeigneten Parameter. Kirchen, soziale Dienste und seelsorgerisch tätige Personenkreise sollten in zukünftige Übungen einbezogen werden“ (BBK & Projektgruppe LÜKEX, 2008, S. 50).
  6. In den folgenden Jahren widmete sich die LÜKEX anderen Themen wie Terrorismus, Cyber-Angriffen oder einer Sturmflut. Im Jahr 2013 folgte die Übung „Biologisches Krisenszenario außergewöhnlicher Art“ (BBK, 2014). Dabei handelte es jedoch vorrangig um eine Erfahrungsaufbereitung der EHEC-Erkrankungen von 2011 und weniger um eine vorausschauende Beübung der Pandemiepläne. Eine Neuauflage der 2007er Pandemieübung, beispielsweise als Revision zum zehnjährigen Jubiläum für die LÜKEX 2018 setzte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bislang nicht auf die Agenda. Mit weiteren Behörden war das BBK am „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ beteiligt (BT-Drucksache 17/12051). Darin wurde dann das Szenario „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ unter fachlicher Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) skizziert, das den Auswirkungen von Sars-CoV-2 sehr nahe kommt. Die Wirkung des im Bericht aufgezeichneten Szenarios in der Öffentlichkeit blieb allerdings begrenzt. Erst mit Einsetzen der Covid-19-Pandemie, also sieben Jahre nach Erscheinen, erhielt die Modellierung die notwendige Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit. Auch die Diskussion von „Pandemien und Seuchen“ im sicherheitspolitischen Weißbuch 2016 erfuhr aus heutiger Sicht seinerzeit nicht die nötige Resonanz (BMVg, 2016, S. 44f.).

Infobox LÜKEX

Seit 2004 hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe acht Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübungen (LÜKEX) durchgeführt. Ziel dieser großangelegten Übungen ist die Vorbereitung von Bund und Ländern auf Krisen- und Bedrohungslagen bei gleichzeitiger Erprobung vorhandener Pläne, Konzepte und Strukturen. Die mehrtägigen Übungen werden im Vorfeld von einer Projektgruppe mit den Krisenstäben auf Bund- und Länderebene vorbereitet. Es wird sich auf ein fiktives Übungsszenario geeinigt und ein gemeinsames Drehbuch erstellt. In der Übung spielen dann real handelnde Personen in Echtzeit, mitunter ohne Lageunterbrechung achtundvierzig Stunden. Folgende Szenarien sind bislang behandelt worden (Die Nummerierung ergibt sich aus der Jahreszahl. Die nächste und damit neunte Auflage wird unter dem Titel LÜKEX 21 geplant):

  • LÜKEX 04: Winterliche Extremwetterlage mit großflächigem Stromausfall
  • LÜKEX 05: Terroristische Anschläge im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006
  • LÜKEX 07: Weltweite Influenza-Pandemie
  • LÜKEX 09/10: Terroristische Bedrohung mit konventionellen Sprengstoffen, chemischen und radioaktiven Tatmitteln („schmutzige Bombe“)
  • LÜKEX 11: Bedrohung der Sicherheit der Informationstechnik durch massive Cyber-Attacken
  • LÜKEX 13: Biologisches Krisenszenario außergewöhnlicher Art
  • LÜKEX 15: Sturmflut an der deutschen Nordseeküste
  • LÜKEX 18: Gasmangellage in Süddeutschland

Da mit der ersten Durchführung ein präventiver Volltreffer gelungen war (2006 kam es zu einem Stromausfall aufgrund von starkem Schneefall im Münsterland) ist natürlich jede vorbereitende und durchführende Projektgruppe bestrebt, erneut mit der nächsten LÜKEX ein Übungsthema zu setzen, das „vor der Lage“ ist. Gleichzeitig ist es natürlich Konsens, dass es besser ist, von jeder geübten Krise real verschont zu bleiben.

Katastrophenszenarien wurden und werden zu wenig beübt

Wären also mehr Brücken nötig gewesen, um Expertenwissen über potentielle Gefährdungen und Schwachstellen der öffentlichen Sicherheit in die Politik zu tragen? Der Bericht des BBK lag als Unterrichtung der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag als Drucksache 17/12051 vor. Auch an Veranstaltungsformaten bei denen Politik, Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenkommen, fehlte es nicht. Als primus inter pares unter den fachlichen Netzwerkinitiativen ist hier das Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit (ZOES) zu nennen, das nicht nur zum Thema Pandemie, sondern auch anderen Risikothemen regelmäßig zu Symposien in die Konferenzsäle des Deutschen Bundestags einlädt. Eine große Leistung des Forums ist es, über die Jahre Abgeordnete gewonnen zu haben, die sich mit voller Seele den Thematiken verschrieben haben. Doch die drängenden Herausforderungen zur Sicherheitsvorsorge schaffen es immer noch zu selten auf die Agenda. Einige Parlamentarier klagen in Gesprächen, in ihren Fraktionen würden sie mit diesen Anliegen oft als „Prepper“ belächelt.

Es bleibt daher zu hoffen, dass die Pandemie zu einem Umdenken führt – und zwar in zweierlei Hinsicht. Einmal im Hinblick auf die Akzeptanz denkbarer und wahrscheinlicher Szenarien sowie zum anderen in Hinblick auf die Einsicht, dass die gemeinsame Beübung solcher Szenarien durch die Krisenstäbe von Behörden, von Ministerien aber auch von Unternehmen sowie weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren notwendig ist.

Gerade eine Einbeziehung der vorhandenen Kapazitäten deutscher Wirtschaftsunternehmen findet leider zu wenig statt. Um ein Beispiel für einen Alternativansatz zur Impfstrategie zu nennen: ein real existierender Dax-30-Konzern im Rhein-/Ruhr-Gebiet leistet sich bei knapp 1.000 Mitarbeitern in der Zentrale drei Betriebsärzte. Würden Hilfsorganisationen die logistische Versorgung des Standorts mit Impfstoff gewährleisten, hätten die drei voll ausgebildeten Mediziner spätestens nach einer Woche die Belegschaft durchgeimpft und könnten sich danach der Bevölkerung in der Nachbarschaft widmen. Für die Anmeldemodalitäten und Terminvergabe würde sich die hausinterne IT-Abteilung kümmern, die Absicherung übernimmt der Werkschutz.

Um solche Ansätze praktisch durchzuspielen, braucht es aber die gemeinsame Übung im Vorfeld: zum Kennen- und Einander-Verstehen-Lernen, um Vertrauen aufzubauen und Kontakte zu etablieren und zu pflegen. Außerdem ermöglicht gemeinsames Üben, Schwachstellen und Synergien zu identifizieren, die in einer vollständigen und ungeschönten Dokumentation festgehalten werden sollten, damit auf dieser Grundlage bestehende Krisenpläne aktualisiert und in einer folgenden Übung erprobt werden können. Ein solcher Turnus aus Planübung und Planaktualisierung mag zu Zeiten des „Normalbetriebs“ manchmal als kostspielig erscheinen, da Personal und Mittel für einen Ernstfall proben, der als unwahrscheinlich gilt oder mitunter tatsächlich niemals eintritt. Die aktuelle Krise zeigt uns dagegen deutlich, dass es noch viel mehr Ressourcen und Zeit kostet, wenn man unvorbereitet in eine Ausnahmesituation gerät.

Zum Autor

Björn Hawlitschka leitet für das Informationsbüro für Wirtschaftssicherheit (IBWS) den „Schaltkreis“ – ein Informationskanal und Netzwerk für Sicherheitsbeauftragte deutscher Global-Player-Unternehmen. Als Gründer der Fachwerkstatt Sicherheit entwickelt er Szenario-Workshops und sicherheitspolitische Planspiele.

Referenzen

  Bouhs, D. (2020, 18. Mai). Medien fordern bessere Corona-Daten vom RKI. NDR/ZAPP [www.ndr.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK. (o.D.). LÜKEX – Krisensimulation für den Bevölkerungsschutz in Deutschland [www.bbk.bund.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK. (o.D.). LÜKEX 21: Cyberangriff auf Regierungshandeln [www.bbk.bund.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK. (2014). Auswertungsbericht „LÜKEX 13“ – Außergewöhnliche biologische Bedrohungslagen [Stand 6/2014]. Bonn: BBK.

  Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK, (2020, 16. März). Handbuch Betriebliche Pandemieplanung - zweite erweiterte und aktualisierte Auflage [www.bbk.bund.de]. Bonn/Stuttgart: BBK, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg.

  Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK & Projektgruppe LÜKEX. (2008, 15. April). Auswertungsbericht der dritten länderübergreifenden Krisenmanagementübung „LÜKEX 2007“ [www.bbk.bund.de]. Bonn: BBK.

  Bundesministerium der Verteidigung – BMVg. (2016). Weißbuch 2016 Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr [www.bmvg.de]. Berlin: BMVg.

  Robert Koch Institut – RKI. (o.D.). Pandemiepläne der Bundesländer [www.rki.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Robert Koch Institut – RKI. (2020, 27. September). Wie hatte sich Deutschland auf die Pandemie vorbereitet? [www.rki.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Robert Koch Institut – RKI. (2021, 08. Januar). COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) [Informationswebseite, Stand: 08.01.2021, www.rki.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

  Tuchman, B. (2010). Der ferne Spiegel: Das dramatische 14. Jahrhundert. München: Pantheon.

  Wagner, W. (2007, 19. November). LÜKEX 2007 Influenza-Pandemie. Pharmazeutisches Notfallmanagement [www.dgkm.org]. Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin e. V., AG Notfall- und KatastrophenPharmazie.

  Zhang, R., Li, X., Zhang, A. L., Wang, Y. & Molina, M. J. (2020). Identifying airborne transmission as the dominant route for the spread of COVID-19. PNAS, 117(26), 14857-14863. doi:10.1073/pnas.2009637117

  Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V. – ZOES. (o.D.). [Webseite der Abgeordneten-Initiative, zoes-bund.de]. Aufgerufen am 09.01.2021.

Weiterführende Informationen

 Homepage des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit (ZOES): Das Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit ist eine Initiative von Abgeordneten für Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Die Initiative gibt auch das „Grünbuch Öffentliche Sicherheit“ heraus.

 Homepage des Informationsbüros Wirtschaftssicherheit (IBWS), ein Informationskanal, Austauschplattform und Netzwerk für Sicherheitsexperten.

DOI
https://doi.org/10.48440/eskp.057

Veröffentlicht: 11.01.2021, 8. Jahrgang

Zitierhinweis: Hawlitschka, B. (2021, 11. Januar). Eine Lehre aus Covid-19: Üben, üben, üben! Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 8. doi:10.48440/eskp.057

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