Städte sind, unabhängig vom Klimawandel, in Deutschland im Jahresmittel 1–2°C wärmer als ihr Umland. Geringere Windgeschwindigkeiten und Verdunstungsraten, die rasche Erhitzung tagsüber aber auch die nächtliche Wärmeabgabe des Betons sind Gründe dafür. In anderen Regionen der Welt macht dieser Wärmeinseleffekt der Stadt bis zu 10 °C aus. Dort, wo die Wärmebelastung bereits heute hoch ist, werden Belastungsschwellen wahrscheinlich auch zukünftig häufiger überschritten. Eine potentielle Anpassungsmaßnahme ist deshalb die vermehrte Pflanzung von hitzeresistenten Bäumen. Doch viele hinsichtlich Hitzestress widerstandsfähige Baumarten, wie Eichen, emittieren flüchtige organische Substanzen („Biogenic Volatile Organic Compounds“, BVOCs). Ein Großteil dieser BVOCs reagiert sehr schnell mit anderen Verbindungen im urbanen Bereich. In verkehrsreichen Städten führt das u.a. zur vermehrten Bildung von bodennahem Ozon. Hierauf wiederum reagieren 10–15% der Bevölkerung empfindlich.

Doch wie können Stadt- und Landschaftsplaner Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und geeignete Pflanzprogramme umsetzen, wenn auch dieses weniger bekannte Phänomen berücksichtigt werden muss?

Zur Bedeutung der BVOCs für die Pflanze

Der Wirkmechanismus der BVOCs für Pflanzen ist nicht völlig geklärt. Klar ist jedoch, dass sich deren Emissionsraten bei erhöhter Einstrahlung und Temperatur steigern. Pflanzen haben, wie Menschen auch, einen Toleranzbereich für die verschiedensten Arten von Stress. Generell leiden Pflanzen unter Hitzestress ab ca. 35–40 °C. Das liegt daran, dass ähnlich wie bei uns Menschen mit Fieber über 37 °C Proteine in ihrer Funktion geschädigt werden können. Nur kurzfristig ertragen Pflanzen höhere Temperaturen. Die Emissionen von BVOCs zeigen, je nach Substanz, ihr Maximum bei circa 35–45 °C, d.h. genau in diesem kritischen Bereich. Ein Hinweis auf die Funktion flüchtiger organischer Substanzen bei thermischem Stress. Erhöhte Temperaturen führen auch zu oxidativen Stress. Dabei wird vermehrt Sauerstoff in Biomoleküle eingebaut. Eine mögliche Funktion der BVOCs in Pflanzen liegt nun darin, diesem Stress, bei dem die normale Reparatur- und Entgiftungsfunktion einer Zelle ansonsten überfordert ist, entgegenzuwirken. Mehr als die Hälfte der weltweiten BVOC Emissionen stammen von Isopren, der Grundeinheit der Terpene, die im Kiefernwald als Hauptbestandteil von ätherischen Ölen gut wahrgenommen werden können.

Gesundheitlicher Effekt der BVOCs in Kombination mit Abgasen

Treffen nun flüchtige organische Substanzen von Bäumen auf Stickoxide (NOx) aus Autoabgasen oder aus anderen Verbrennungsprozessen, erhöht dies die bodennahe Ozonbildung. Insbesondere stark Isopren-emittierende Bäume, wie die Ahornblättrige Pappel, Eichen oder die Gemeine Robinie tragen so in Städten zur Ozonbildung bei. Ozon wiederum kann tief in die Lunge eindringen und aufgrund seiner oxidierenden Wirkung die Atemwege beeinträchtigen, die Herzfunktion stören bzw. die generelle Leistungsfähigkeit verringern.

Auswirkungen auf die Atmosphärenchemie

BVOCs haben aber auch einen signifikanten Einfluss auf die atmosphärische Chemie, denn die globalen Emissionen pflanzlichen Ursprungs entsprechen ungefähr den globalen Methan Emissionen von ca. 500 Gt Kohlenstoff pro Jahr. Anders als Methan tragen BVOCs jedoch nur unwesentlich zur Erwärmung der Atmosphäre bei. Vielmehr spielen sie bei der Bildung von sekundären Aerosolen eine Rolle. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Luftmassen kommt es zur Bildung von nur 0,2–1 Mikrometer großen Kondensationskernen und damit zur Bildung von Vorläufersubstanzen für sekundäre Aerosole. Aufgrund ihrer chemischen und optischen Eigenschaften verändern diese Aerosole dann die lokale und regionale Luftqualität. Dabei verlängern sie die chemische Lebensdauer von reaktiven Gasen in der Atmosphäre. Diesen Effekt auf die Aerosolbildung untersuchen Wissenschaftlern im Team von Prof. Dr. Jörg Schnitzler am Helmholtz Zentrum München näher. Die Forscher wollen herausfinden, wie Stress für Pflanzen im urbanen Raum (z.B. Hitze, Luftverschmutzung, verringerter Wurzelraum, Wasser-und Nährstoffmangel) zu einer Veränderung der BVOC Emissionen führt und welche Auswirkungen diese auf die Aerosolbildung haben. Die Untersuchungen wurden in Peking durchgeführt, da die Megacity unter sehr starker Luftverschmutzung leidet und dort im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2010 massiv Stadtbäume gepflanzt wurden. Hierdurch ließ sich der Effekt besonders gut analysieren.

Implikationen für die Praxis und die Landschaftsplanung

Generell  ungünstig hinsichtlich der BVOC Emissionen sind alle Eichen, Weiden und Pappeln. Besser geeignet für Pflanzprogramme sind, je nach Standortbedingungen, Ahornarten und Eschen. Birken emittieren zwar weniger BVOCs, sind aber aufgrund ihres allergenen Pollens als Stadtbaum nicht günstig. Studien für Los Angeles weisen darauf hin, dass Baumarten, die mehr als 2 µg Isopren pro Gramm Blatt-Trockenmasse und Stunde emittieren, nicht in großer Anzahl gepflanzt werden sollten. Die BVOC Menge kann durch geschickte Auswahl der Baumart bis zu einem Hundertstel geringer ausfallen. Obwohl momentan der anthropogene Beitrag zur Luftverschmutzung deutlich überwiegt, wird mit zunehmender Luftreinhaltung der Beitrag des pflanzlichen Anteils ansteigen. Umwelt- und Klimabedingungen können Stadtbäume enorm stressen, sodass diese dann, zusätzlich zu ‚normalen‘ flüchtigen organischen Substanzen, eine Großzahl an anderen Verbindungen emittieren. Da Bäume wichtig für das Stadtklima sind, sollte bei der Auswahl vorausschauend geplant und auf emissionsarme Arten gesetzt werden. Schließlich kühlen Bäume durch Transpiration, schützen vor Lärm, helfen bei der Deposition von Partikeln, fixieren CO2 und haben einen immensen Erholungswert. BVOC Emissionen können jedoch ein Marker für Umweltstress sein. Ob Pflanzen in geschädigtem Zustand ihre ansonsten sehr positiven Dienstleistungen in der Stadt erfüllen können, wird derzeit vom Helmholtz Zentrum München in Peking untersucht.

Das Institut für Biochemische Pflanzenpathologie ist am Helmholtz Zentrum München angesiedelt. Die Abteilung «Experimentelle Umweltsimulation» ist federführend in der Forschung zu BVOCs.

Text: ESKP - Jana Kandarr, Fachliche Prüfung und Ergänzungen: Prof. Dr. Jörg-Peter Schnitzler

Quellen

  Curtis, A. J., Helmig, D., Baroch, C., Daly, R. & Davis, S. (2014). Biogenic volatile organic compound emissions from nine tree species used in an urban tree-planting program. Atmospheric Environment, 95, 634-643. doi:10.1016/j.atmosenv.2014.06.035

  Ghirardo, A., Xie, J., Zheng, X., Wang, Y., Grote, R., Block, K., Wildt, J., Mentel, T., Kiendler-Scharr, A., Hallquist, M., Butterbach-Bahl, K. & Schnitzler, J.-P. (2016) Urban stress-induced biogenic VOC emissions and SOA-forming potentials in Beijing. Atmos. Chem. Phys., 16, 2901-2920. doi:10.5194/acp-16-2901-2016

  Way, D. A, Schnitzler, J.-P., Monson, R. K. & Jackson,  R. B. (2011). Enhanced isoprene-related tolerance of heat- and light-stressed photosynthesis at low, but not high, CO2 concentrations. Oecologia, 166, 273-282. doi:10.1007/s00442-011-1947-7

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