Als Todeszonen (im Englischen “Dead-zones”) werden Gebiete in Seen und Binnenmeeren bezeichnet, die für einen gewissen Zeitraum sauerstoffarm oder sogar frei von Sauerstoff sind. Können die in Gewässern lebenden Organismen der sich entwickelnden Sauerstoffarmut nicht ausweichen, kann es zu Massensterben kommen - ein Phänomen, das auch vielen Gartenteich-Besitzern leidlich bekannt ist. Eine Kombination von starkem Pflanzenwachstum und dadurch bedingter, intensiver Aktivität von Mikroorganismen führt zum Sauerstoffverbrauch im Wasser. Wenn kein neuer Sauerstoff zugeführt wird, erstickt der Zierkarpfen förmlich.

Todeszonen wurden bisher nicht im offenen Ozean vermutet - warum?

Todeszonen sind durch große Schwankungen im Sauerstoff gekennzeichnet. Dabei kommt es zu einem relativ abrupten Wechsel von einer "Leben unterstützenden" in eine lebensfeindliche Zone. Es wurde bisher davon ausgegangen, dass der Ozean als großes, zusammenhängendes Kontinuum keine derartig abrupten Schwankungen im Sauerstoff zulässt. Zwar existieren im Ozean Regionen mit extrem niedrigen Sauerstoffgehalt, so etwa die "Sauerstoffminimum-Zonen" an den Osträndern der Ozeane. Der Unterschied zu den Todeszonen ist aber der bereits seit Jahrmillionen niedrige Sauerstoffgehalt und ein sich an die Gegebenheiten angepasstes Ökosystem. Teilweise haben die Organismen sogar Strategien entwickelt, um die Sauerstoffarmut zu ihrem Vorteil zu nutzen. Im Südost-Pazifik existiert ein Tintenfisch, der über lange Zeit quasi "die Luft anhalten" kann und sich so vor seinen Jägern in den sauerstoffarmen Tiefenbereichen versteckt. Es kommt also nicht zu einem Massensterben, da das Ökosystem die Gefahren kennt.

Das Bild, das wir von der Sauerstoffverteilung, und den diese kontrollierenden Prozesse im Ozean haben, hat sich jedoch geändert. In einer neuen Studie, veröffentlicht im Wissenschaftsjournal "Biogeoscience", berichten Forscher des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel, des MARUM Bremen und der Dalhousie University in Kanada von den ersten jemals im offenen Ozean gefundenen Todeszonen. Wie ihre küstennahen Verwandten entstehen die Todeszonen aus einer Kombination von intensivem Pflanzenwachstum mit darauffolgender Zersetzung und Sauerstoffabbau durch Mikroorganismen, und einer nur schwachen Zufuhr von sauerstoffreichem Wasser. Das besondere an den Todeszonen im offenen Ozean ist, dass diese durch die schnelle Drehung von Wassermassen in sogenannten mesoskaligen Wirbeln, auch "ozeanische Eddies" genannt, entstehen. Die schnelle Drehung schirmt das Wasser im Wirbel vom Wasser der Umgebung ab, der Austausch von Sauerstoff (und anderen gelösten Substanzen) wird so weitestgehend unterbunden. Zudem wird an den Rändern der Wirbel nährstoffreiches Wasser aus größeren Tiefen an die Oberfläche transportiert - diese Nährstoffzufuhr versorgt das oberflächennahe Pflanzenwachstum, die Pflanzenreste werden wiederum von Mikroorganismen zersetzt, wodurch Sauerstoff verbraucht wird.

Unerklärliches Massensterben von Meeresbewohnern

Die "Todeszonen Eddies" bilden sich zumeist im Sommer durch Instabilitäten in küstennahen Strömungen vor Mauretanien und dem Senegal. Die Eddies haben einen Durchmesser von mehr als 100km und bewegen sich, angetrieben durch die Erdrotation, stetig mit etwa 5km pro Tag nach Westen. Die Ausbildung einer Todeszone, die schon in sehr geringer Wassertiefe von nur wenigen 10 Metern auftritt und bis in etwa 100m Tiefe reicht, dauert nur wenige Monate. Die Lebensdauer der Wirbel jedoch ist länger, teilweise über ein Jahr – und so durchstreifen die Todeszonen mehr als 1000 km des Ozeans.

Auf ihrem Weg nach Westen ist es möglich, dass sie auch auf Inseln treffen. Dass küstennahe Ökosysteme beeinflusst werden ist wahrscheinlich, wurde aber bisher noch nicht direkt nachgewiesen. Dennoch werden von vielen Küstenabschnitten immer wieder sogenannte "sudden fish death events" gemeldet, bei denen auf scheinbar unerklärliche Weise ein Massensterben von Meeresbewohnern auftritt. Ein Auftreffen eines "Todeszonen Eddies" auf eine Küstenregion könnte für einige dieser Ereignisse verantwortlich sein. Der o.g. Artikel fand weltweit sehr große Beachtung. Zahlreiche internationale Zeitungen berichteten über die Forschungsergebnisse, nicht zuletzt weil Todeszonen in vielen Ländern ein großes Problem für den lokalen Fischfang, aber auch für die Tourismusindustrie darstellen.

Warum wurden die Todeszonen-Eddies nicht schon früher entdeckt?

Höchstwahrscheinlich sind sie schlichtweg "übersehen" worden. Bis vor kurzem wurde Sauerstoff im Ozean nur mit recht aufwendigen Verfahren aus diskreten Proben bestimmt, die vielleicht alle 100 bis 500m einen Datenwert erbrachten. Wenn bei diesen Proben in knapp 20 bis 30m Tiefe ein Sauerstoffwert von nahe 0 gemessen wurde, so wurde dieser mit großer Wahrscheinlichkeit als Messfehler gekennzeichnet und nicht weiter beachtet.

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