Das städtische Klima ist neben Infrastruktur, Mobilität und Energieversorgung eines der Kernthemen für die zukünftige städtische Entwicklung. Am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen wurde deshalb das Klima der Stadt Stuttgart anhand eines Modells analysiert. Dabei stand das Zusammenspiel der städtischen Wärmeinsel (Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland) und der urbanen Luftqualität (Konzentration ausgewählter Luftschadstoffe) im Mittelpunkt.

Maßnahmen zur Reduktion der Temperatur im urbanen Raum wie Dachbegrünung oder intelligente Fassadenanstriche werden bereits in der angewandten Stadtplanung eingesetzt. Die Kenntnisse über den Einfluss dieser Maßnahmen auf die urbane Luftqualität sind allerdings noch gering. Daher wurden mit Hilfe eines numerischen Modellierungsansatzes*, die Auswirkungen verschiedener Stadtplanungsmaßnahmen auf die Intensität der städtischen Wärmeinsel sowie die Rückkopplung der oben genannten Maßnahmen auf die chemische Zusammensetzung der städtischen Atmosphäre am Beispiel von Stuttgart untersucht. Hierbei stand nicht die Auflösung einzelner Gebäude oder Straßenzüge im Vordergrund. Vielmehr erlaubt das Modell eine ganzheitliche Betrachtung des Systems Stadt und dessen Wechselwirkung zum Umland. Überprüft wurden insbesondere die bodennahen Schadstoffe wie Kohlenstoffmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx) als primäre Schadstoffe sowie Ozon (O3) als sekundärer Schadstoff.

Der Referenzeitraum umfasst einige Wochen des Sommers 2003, in denen weite Teile Europas von einer enormen Hitzewelle betroffen waren. Stark verdichtete und bevölkerungsreiche städtische Gebiete sind vor allem durch solche Extremereignisse angreifbar. Zudem ist nach Meinung internationaler Klimaexperten davon auszugehen, dass zukünftig verstärkt mit solchen extremen Wetterlagen zu rechnen ist. Folglich ist diese Studie geeignet, einen vorausschauenden Blick auf den Effekt zukünftiger Stadtplanungs-Maßnahmen in Bezug auf Luftqualität und Klima zu werfen.

Die Modellergebnisse zeigen, dass stark reflektierende Oberflächen wie der Effekt heller Dach- und Fassadenfläche die effizienteste Methode sind, die städtische Wärmeinsel zu reduzieren. Innerstädtische Begrünung und eine veränderte Bebauungsdichte zeigen geringere Effekte im Modell. Im Falle einer Erhöhung der Dachflächen-Albedo (Rückstrahlungsvermögen) von 0,2 auf 0,7 wird eine Abnahme der städtischen Wärmeinsel um ca. 2 °C im Mittel erreicht.

Die Veränderung der Energie- und Strahlungseigenschaften der städtischen Oberflächen aufgrund der zuvor genannten Vermeidungsmaßnahmen wirkt sich unterschiedlich auf die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre aus. Während die mittlere Ozon-Konzentration um ca. 5–8 % pro 1 °C Temperaturverringerung reduziert werden kann, wird ein Anstieg primärer Schadstoffe wie NO und CO um 5–25 % prognostiziert.

Primär wird durch die Abnahme der Temperatur die dynamische Struktur der Atmosphäre verändert. Die turbulente Durchmischung wird verringert, die Mischungsschichthöhe sinkt daher, wodurch die bodennahe Konzentration von direkt emittierten Schadstoffen wie CO und NO ansteigt. Für den Rückgang der Ozonkonzentration mit sinkender Temperatur ist in erster Linie die direkte Abhängigkeit zwischen Temperatur und Geschwindigkeit chemischer Reaktionen verantwortlich.

Es muss jedoch beachtet werden, dass die Maßnahmen auch unerwartete sekundäre Prozesse nach sich ziehen können. Eine Erhöhung der Oberflächenreflexion durch weiße Dächer zum Beispiel erhöht die Intensität der kurzwelligen Strahlung, was dazu führt, dass maximale Ozonkonzentrationen kurzzeitig sogar ansteigen können. Modellrechnungen zeigen, dass im Zeitraum zwischen 14 und 15 Uhr für dieses Szenario (Albedo), die mittlere bodennahe Ozonkonzentrationen um mehr als 10 % gegenüber dem Normalfall ansteigen können. 

Hauptresultat der Studie ist, dass der Einfluss von Maßnahmen zur Verringerung der städtischen Wärmeinsel auf die Dynamik größer ist als auf die Chemie. Während in bisherigen Studien vorwiegend die positive Auswirkung auf Ozonbelastung diskutiert wurde, untersucht diese Arbeit eine umfassende Luftchemie und arbeitet damit den negativen Effekt auf primäre Schadstoffe heraus.

Der zu erwartende negative luftchemische Effekt von zusätzlich emittierten Partikeln von natürlicher Vegetation, den sog. biogenen Emission (BVOCS) wird zwar hier nicht diskutiert, findet aber immer mehr Beachtung in der aktuellen Forschung. So kann beispielsweise bei der Verwendung "falscher" Baumarten in städtischen Gebieten die bodennahe Ozon-Konzentration ansteigen, wenn die Baumarten sogenannte Isoprene ausstoßen welche mit Autoabgasen zu Ozon reagieren.

 

*Hierzu wird das mesoskalige Chemie-Transport-Modell WRF-Chem (Weather Research and Forecasting model coupled with Chemistry) verwendet.

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