Gravitative Massenbewegungen werden in der Geologie als "hangabwärts gerichtete, bruchlose und bruchhafte Verlagerungen von Fels- und/oder Lockergestein unter der Wirkung der Schwerkraft" definiert. Sie treten in unterschiedlichen Formen wie zum Beispiel Hangrutschung, Bergrutschung, Bergsturz, Felssturz, Geröll-Lawine oder Murgang auf. Sie bilden eine Naturgefahren-Prozessgruppe, die primär an den obersten, der Verwitterung ausgesetzten Teil der Gesteinsschicht gebunden ist.

Diese Massenbewegungen werden primär nach dem Materialtyp der verlagerten Massen unterschieden wie Festgestein, Boden, Schlamm sowie fein- und grobkörniges Lockermaterial. Aber auch nach den verschiedenen Bewegungsmechanismen: Fallen, Kippen, Gleiten, Driften, Fließen und komplexe Massenbewegungen (siehe Grafik).

In Deutschland werden weniger als 10 Prozent der Fläche als gefährdet eingestuft. Gefährdete Gebiete befinden sich vor allem in den Alpen, aber auch auf der schwäbischen und fränkischen Alp sowie entlang der Steilküsten der Nord- und Ostsee. Mit Ausnahme der Alpenregion wird jedoch in den meisten Gebieten Deutschlands die Gefahr von Personenopfern als wenig wahrscheinlich betrachtet (Quelle: Nationale Gefahrenhinweiskarte gravitativer Massenbewegungen, Dickau und Glade 2003). Für 27 europäische Länder hat ein Team um Prof. Dr. Philipp Blum am KIT und Dr. Ubydul Haque von der University of Florida erstmals alle europäischen Erdrutsche mit Todesfolge in einer Datenbank zusammengeführt und mit weiteren Faktoren wie Schadenshöhe verschränkt. Siehe dazu den ESKP-Beitrag "Tödliche Rutschungen in Europa – Eine unterschätzte Gefahr?"

Hangrutschungen werden häufig ausgelöst durch heftige Niederschläge und das dadurch bedingte Eindringen von Wasser zwischen vorher gebundenen Bodenschichten. Durch die Schwerkraft und die Verminderung der Haftung zwischen den Bodenschichten rutscht der Hang ab. Fallen über einen langen Zeitraum relativ große Mengen Niederschlag, steigt durch das überschüssige Wasser im Boden das Risiko für einen Hangrutsch. Erdrutsche können auch durch Erdbeben verursacht werden, da hierbei ebenfalls Bodenschichten gelockert werden und wegrutschen können.

Darüber hinaus wird das Risiko für Erdrutsche durch Rodung von Wäldern an Abhängen, die Zerstörung von Bergweiden, Anlegen von Straßen und Schienensträngen oder eine enge Bebauung erhöht, da die kahlen Hangflächen durch Erosionsprozesse instabil werden. Ein in jüngster Zeit immer wichtiger gewordenes Thema ist das Auftauen von Permafrostböden geworden, wenn als Folge des Klimawandels schützende Frost- oder Eisschichten nicht mehr die gleiche Festigkeit wie bisher haben. Auch diese Entwicklung kann die Gefahr von Hangrutschungen erhöhen.

Gerade an Steilhängen beispielsweise in den Alpen zeigt sich, dass die schützende Vegetationsschicht und der Grad der Durchwurzelung des Bodens ein wesentlicher Faktor bei der Stabilisierung von Hängen sein kann. Tiefenwurzeln helfen dabei, die Naturgefahr einer Hangrutschung zu verhindern oder zumindest die Auswirkungen zu dämpfen.

Frühwarnsysteme gegen Hangrutschungen und Erdrutsche

Aufgabe der Forschung, wie sie am Deutschen GeoForschungsforschung in Potsdam stattfindet, ist es, derartige Risikozonen zu identifizieren und die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflüssen wie Wetter, Gesteinszusammensetzung, menschlichen Eingriffen in die Landschaft sowie seismischen Aktivitäten zu erkunden und zu einer Gefahreneinschätzung zu kommen.

Daneben geht es darum, Instrumente zu entwickeln, die es ermöglichen, gefährdete Gebiete kontinuierlich zu beobachten und im Falle einer zunehmenden Gefährdung lokale Behörden bei Entscheidungen zu unterstützen. Neben experimentellen Simulationen, die zu einem besseren Verständnis der Prozesse in den Gesteins- und Bodenschichten führt, kommt bei der Gefährdungsanalyse auch der Fernerkundung eine wichtige Bedeutung zu, deren Ergebnisse in der Erstellung von Gefährdungskarten einfließen.

Bei der Arbeit im Feld kommen Beschleunigungs-, Neigungs-, Druck- und Bodenfeuchtesensoren zum Einsatz. Sie erfassen die jeweiligen Parameter und senden diese an einen zentralen Rechner, wo die Daten ausgewertet und visualisiert werden, um das mögliche Abrutschen eines Hanges frühzeitig zu erkennen. Dementsprechend können im Anschluss geeignete Schutzmaßnahmen umgehend eingeleitet werden.

Mit Hilfe solcher Sensor-Netzwerke können nicht nur Hangrutsche, sondern auch Bergstürze und Lawinen auch in unzugänglichen Regionen kontrolliert werden. Zudem werden auch Gebäude oder andere wichtige Infrastrukturen wie Staudammmauern überwacht, um Gebäudeschäden und -absenkungen zu erkennen.

Hangrutschungen unter Wasser

Ähnlich wie an Land, kann es auch unter Wasser zu Hangrutschungen kommen, etwa an untermeerischen Vulkanen, an den Flanken von Ozeaninseln oder an Kontinentalhängen. Sie entstehen häufig dort, wo die einzelnen Sedimentschichten nur eine geringe Festigkeit haben. Die Wissenschaft spricht hier von sogenannten "schwachen Lagen". Hangrutschungen unter Wasser bilden eine nicht zu unterschätzende Gefahr, da sie Auslöser für gefährliche Tsunamis sein können.

Unter Wasser spielen bei Entstehung von Hangrutschungen vor allem Erdbeben eine wichtige Rolle. Viele Hangrutschungen finden auch entlang von Gashydratlagerstätten statt. Untersuchungen des GEOMAR in Kiel zeigen, Gashydrate eine feste, undurchlässige Schicht im Meeresboden bilden können. Darunter sammeln sich freies Gas und Flüssigkeiten. Es entsteht ein Überdruck unterhalb der Hydratschicht, bis diese nicht mehr standhält. Freies Gas und Flüssigkeiten steigen in den durch den Überdruck verursachten Rissen, die heute noch im Untergrund nachweisbar sind, schnell Richtung Meeresboden auf. Dort treffen sie auf ohnehin weniger stabiles Sediment und setzen es in Bewegung.

Zu submarinen Hangrutschungen hat Prof. Dr. Sebastian Krastel-Gudegast vom GEOMAR unter dem Titel "Submarine Hangrutschungen: eine (unterschätzte) Naturgefahr?" einen anschaulichen Grundlagenartikel verfasst.

Text: Oliver Jorzik | ESKP (aktualisiert März 2020)