Die tropische Klimazone breitet sich aus. Tropische Wirbelstürme entfernen sich immer weiter vom Äquator und bewegen sich immer mehr in Richtung Pole, haben amerikanische Wissenschaftler von der US-Behörde für Wetter und Ozeanografie (NOAA) kürzlich geschrieben. In welchen Dimensionen geschieht das und worin sehen Sie die Ursachen für diese Phänomene?
Tropische Wirbelstürme entstehen immer in einiger Entfernung vom Äquator, etwa ab 5°N oder 5°S polwärts. Direkt am Äquator ist die Wirkung der ablenkenden Kraft der Erdrotation (sog. Corioliskraft) gleich Null. Dort kann es keine Wirbelstürme geben, denn für die Drehbewegung der Wirbelstürme ist letztlich die Corioliskraft mit verantwortlich.
Des Weiteren beziehen Taifune oder Hurrikane ihre Energie aus dem warmen Wasser der Ozeane. Es bedarf einer großen Wasserfläche mit einer möglichst tief reichenden Schicht von Wasser mit mindestens 27 °C: Sollten diese Flächen sich ausweiten, könnten grundsätzlich auch die Gebiete, in denen sich Wirbelstürme bilden, größer werden.
Allerdings bedarf es zusätzlich zu großen und warmen Wasserflächen noch einer möglichst „ungestörten“ Atmosphäre, in der die Wirbelstürme ihre symmetrische Struktur ausbilden und längere Zeit beibehalten können. Eine Umgebung, in der sich Windgeschwindigkeiten horizontal und vertikal rasch ändern wie beispielsweise bei uns in der Westwindzone, ist nicht geeignet, Wirbelstürme entstehen zu lassen.

Welche bisher verschonten Gebiete werden künftig von tropischen Wirbelstürmen heimgesucht?
Es erscheint unwahrscheinlich, dass Wirbelstürme künftig in Gegenden auftreten, die noch nie Hurrikane oder Taifune erlebt haben. Allerdings könnten sich die bisherigen Wirbelsturmgebiete etwas ausweiten oder es kann zu einer Verlagerung der größten Häufigkeit oder Intensität innerhalb dieser Gebiete kommen.

Im November 2013 hinterließ der Taifun Haiyan eine Schneise der Zerstörung auf den Philippinen. Sind diese Gebiete zukünftig weniger oder überhaupt nicht mehr von tropischen Wirbelstürmen betroffen?
Die Gegenden, in denen tropische Wirbelstürme heute bevorzugt auftreten, waren das auch schon früher. Und aller Voraussicht nach wird das auch in Zukunft so sein, solange sich Meeresströmungen oder Meeresoberflächentemperaturen nicht grundlegend ändern. Das gilt für die Philippinen, China, Japan, Madagaskar, die Karibik, den Golf von Mexiko oder den Golf von Bengalen, um einmal die wirbelsturmreichsten Regionen der Welt zu nennen. Ob tropische Wirbelstürme in Zukunft große neue Gebiete „erobern“, die bisher wirbelsturmfrei sind, erscheint zumindest zweifelhaft.  Allerdings ist es durchaus möglich, dass Wirbelstürme ihre größten Intensitäten weiter im Norden erreichen als bisher und sich so das Gefährdungspotential etwas nach Norden verschiebt, z.B. in Japan. Noch weiter im Norden und Süden wird zum einen die niedrigere Wassertemperatur, zum anderen die Interaktion mit der Westwindzone den Wirbelstürmen Einhalt gebieten.    

Hätte das Ausbleiben dieser Stürme auch negative Effekte für die Regionen?
Aus humanitärer Sicht wäre ein Ausbleiben der Wirbelstürme, die ja fast immer auch mit verheerenden Regenfällen und Überschwemmungen einhergehen, wünschenswert. Aus ökologischer Sicht können Wirbelstürme aber wie ein Reinigungsprozess wirken und für die biologische Vielfalt in Meeren und entlang der Küsten eine wichtige Rolle spielen.

Sind die Auswirkungen von Haiyan mit anderen (früheren) Stürmen im asiatischen Raum vergleichbar?
Wie schwerwiegend ein Wirbelsturm ist bzw. welche Folgen er hat, hängt davon ab, wo genau und mit welcher Intensität und Verweilzeit er auf Land trifft. Zu den Sturmschäden kommen manchmal großflächige Überschwemmungen durch intensive Regenfälle, über die Ufer tretende Flüsse oder Deichbrüche. Auch Erdrutsche können viele Menschenleben kosten, wenn sie ganze Dörfer unter sich begraben. In Südostasien treffen generell häufig intensive Taifune auf Land. Die meisten Todesopfer forderten Wirbelstürme in der Vergangenheit aber in Bangladesch, Myanmar und Indien. „Nargis“ kostete 2008 mehrere Zehntausend Menschen in Myanmar das Leben, 1999 waren es in Indien mehr als 9.000.

Die Schadenssumme durch Wirbelstürme ist in Industrieländern wie Japan oder den USA in der Regel höher, wenn ein solcher Sturm mit voller Wucht auf die Küste trifft (z.B. Hurrikan „Katrina“ 2005 oder Hurrikan „Sandy“ 2012 in den USA). Schäden an Infrastruktur usw. belaufen sich schnell auf zwei- oder sogar dreistellige Milliardenbeträge.

Welche Vorsorge- und Schutzmaßnahmen gibt es überhaupt gegen schwere Stürme?
Die Vorsorge besteht in erster Linie darin, ein funktionierendes Warnmanagement zu etablieren. Das beginnt bei der ersten Warnung Tage vor dem Eintreffen des Sturms, über umfangreiche und rasche Evakuierungsmaßnahmen und endet mit einem raschen Wiederaufbau und Wiederherstellung der Infrastruktur. Wie effektiv ein gutes Warnmanagement funktionieren kann, zeigt der Blick nach Indien, wo 2013 der Superzyklon „Phailin“ an der Ostküste an Land ging. Er forderte „nur“ etwa 46 Menschenleben. Indien konnte dem Sturm und seinen Folgen wirkungsvoll begegnen. Ein vergleichbar starker Wirbelsturm hatte 1999 in derselben Region noch mehr als 9.000 Todesopfer gefordert.

Die Windgeschwindigkeiten von Stürmen wie „Lothar“, „Christian“ und „Anatol“ sind mit Haiyan (379 km/h) nicht zu vergleichen. Kann es zu Stürmen wie Haiyan auch in Deutschland/Mitteleuropa mit vergleichbaren Windgeschwindigkeiten kommen?
Tropische Wirbelstürme sind in Deutschland auch in Zukunft nicht zu erwarten. Dazu sind die Entstehungsvoraussetzungen nicht gegeben. Wir bekommen tropische Wirbelstürme manchmal in umgewandelter Form zu spüren, wenn sie auf dem Atlantik den Übergang von einem tropischen in ein außertropisches System vollzogen haben und sich später als gewöhnliches Sturmtief bei uns bemerkbar machen können. Die Windgeschwindigkeiten erreichen aber bei weitem nicht die Größenordnung wie sie bei tropischen Wirbelstürmen auftreten.

Die größten Windgeschwindigkeiten bei uns sind zumindest im Flachland mit Tornados verbunden, die sich tatsächlich gelegentlich auch ausbilden. Lokal und eng begrenzt können dann auch Spitzenböen von mehr als 200 km/h auftreten.

Welche Schäden würde ein Taifun wie Haiyan in Deutschland anrichten?
Natürlich ist bei uns in Deutschland die Widerstandskraft von Gebäuden und Infrastruktur gegenüber Stürmen eine ganz andere als beispielsweise in großen Teilen der Philippinen. Gleichwohl würde ein Sturm mit Spitzenböen nahe 300 km/h, sollte er beispielsweise auf eine Stadt wie Hamburg treffen, größte Zerstörungen anrichten und ohne Vorwarnung oder entsprechende Evakuierungsmaßnahmen auch sehr viele Todesopfer fordern. Allerdings ist ein solcher Vergleich nur hypothetisch.

Würden Häuser, wie in Deutschland gebaut, dem Sturm standhalten?
Bei Windgeschwindigkeiten jenseits von 250 km/h würden auch in Deutschland erhebliche Schäden oder Zerstörungen auftreten. Ein Beispiel für die Zerstörungskraft solcher Windgeschwindigkeiten, die bei uns zumeist nur bei Tornados auftreten, liefert der Pforzheimer Tornado (1968) oder der Tornado von Micheln (2004).

Das Interview führte Karl Dzuba, GFZ

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