In Paris wurde der Autoverkehr im März 2015 und in Rom sowie Mailand im Dezember 2015 stark eingeschränkt und von der Regierung teilweise ein Fahrverbot für PKW erteilt. In Peking ist die Luft ebenfalls oft sehr "dick" und die Stadt Stuttgart rief im Januar Feinstaubalarm aus. Im Interview mit der Wissensplattform Erde und Umwelt (ESKP) spricht Prof. Dr. Stefan Norra vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) über Feinstaub und Smog sowie aktuelle Forschungsaktivitäten in Peking und Deutschland.

Herr Norra, wird die Luft weltweit immer schlechter oder sind die Behörden nur aufmerksamer und die Grenzwerte niedriger?

Wir hatten in den 80er und 90er Jahren eine Phase, in der unsere Kohlekraftanlagen und auch Stromerzeugeranlagen mit Filtern ausgerüstet wurden, um die Staubkonzentration zu verringern. Bereits damals gab es Luftreinhaltepläne. Die gröberen Stäube oberhalb 10 µm Größe wurden damals messtechnisch erfasst. Als in den 90er Jahren endlich alle Kraftwerke mit Filtern ausgerüstet waren, hat die EU-Norm die Treibstoffe der Autos weiter verbessert bzw. die Vorschriften verschärft. Man ging davon aus, dass jetzt eigentlich nichts mehr zu verbessern sei.

Epidemiologen wiesen dann jedoch auf die Gesundheitsrelevanz, der viel feineren Stäube kleiner als 10 µm in der Luft hin, die zuvor nicht im Fokus der Überwachungsmessungen standen. Hierfür wurden in der Folge weitere Grenzwerte eingeführt. Laut Studienergebnissen sterben in China um die 1,4 Mio. Menschen frühzeitig wegen einer erhöhten Feinstaubbelastung. Für Europa sind es wohl über 400.000 Menschen jährlich. Dem hat die EU versucht einen Riegel  mit Grenzwerten vorzuschieben, die wir aber  teilweise nicht einhalten können. In Stuttgart am Neckartor werden die Grenzwerte vom 50 µm/m3 regelmäßig überschritten. Es gibt weitere Beispiele für Standorte wie in Reutlingen und Berlin an denen Grenzwerte für Feinstäube aber auch Stickoxide nicht eingehalten werden können.

Welche Gründe hat das?

Dies hat viele verschiedene Gründe wie die lokale Situation in Form einer Kessellage wie in Stuttgart. Häufig interagieren hier Emissionssituationen und Wetterlagen. Ein weiterer Aspekt ist die Schwierigkeit der Übertragbarkeit der Angaben der Automobilhersteller auf reale Situationen, da hier von einer geringeren Menge an emittierten Schadstoffen ausgegangen wird. Die Problematik ist die Verschiebung von den gröberen auf die feineren Stäube.

Woher kommt ihr Forschungsinteresse gerade an Peking?

Ein Grund sind die in Peking vorkommenden gröberen, geogenen Stäube, die aus den Trockengebieten wie den Wüsten Gobi oder Taklimakan eingetragen werden und sich mit den anthropogen emittierten Partikeln vermischen. Wir wollten sehen, ob die groben Partikel auch die feinen Partikel herausfiltern können. Im Frühjahr gibt es die großen Staubevents, die in den Medien Beachtung finden, wenn die Menschen auf Fahrrädern mit Mundschutz gezeigt werden. Das hat weniger mit den Emissionen aus der Stadt heraus zu tun, sondern mit den Luftmassen, die von Westen langsam nach Peking getrieben werden. Diese haben sich über den Wüsten mit Partikeln von Größen im schluffigen Bereich aufgeladen, also etwas gröber als 2 µm. Da ist die Frage, wie interagieren die anthropogenen und geogenen Partikel, und wo kommen sie eigentlich her.

Mit wem haben Sie in diesem Zusammenhang zusammengearbeitet?

In China arbeiten wir mit der China Research Academy of Sciences und der China University of Geosciences, beide in Peking, zusammen. In Deutschland haben wir unter anderem mit dem Institut für Meteorologie und Klimaforschung, des KIT zusammengearbeitet. Eine Doktorarbeit, die mit COSMO-Art modelliert hat, ergab eine Herkunft dieser Partikel nicht nur aus den westlichen Wüsten, sondern auch aus anderen Trockengebieten wie den Löss-Plateaus und Horqin Sandy Land. In Peking können die Stäube aus bis zu 50 Prozent und mehr aus geogenen Partikeln bestehen, was jahreszeitlich allerdings stark schwankt. Diesen Anteil haben wir hier in Deutschland nicht. Seit Jahren schon versucht die Regierung in Peking die Staubbelastung zu verringern, die aber auf einem hohen Niveau fast konstant bleibt. Was alleine schon erstaunlich angesichts des starken wirtschaftlichen Wachstums ist. Die Effektivität von Maßnahmen gegen Luftstäube kann also sehr gut in Peking untersucht werden. Daher unser Forschungsinteresse.

Es gab zu Olympia durchaus Erfolge, die Luftqualität in Peking zu verbessern. Die Industrie wurde heruntergefahren und Fahrverbote wurden erteilt. Was hat sich seitdem getan?

Der Erfolg zu Olympia war in der Tat da. Nicht nur die Industrie in Peking wurde weitestgehend geschlossen, sondern auch im Süden und Südosten sowie im Osten von Peking wurden die riesigen Industrieanlagen geschlossen. Wenn der Wind aus südlichen und östlichen Richtungen kommt, und das ist der Fall im Sommer, dann treibt er die Abgase nach Peking. Im Westen, Norden und Nordwesten gibt es ein großes Gebirge bis 2.000 m Höhe, davor sammeln sich die Stäube mit ihren Schadstoffen und können nicht weiter. Deshalb reichert sich die schlechte Luft auf Dauer immer in Peking an. Entsprechend wurde während Olympia in der Shandong-Provinz und in Tianjin die Industrie großräumig herunterfahren. Dazu hat man den Straßenverkehr halbiert. Das hat dazu geführt, dass die Grobstäube bis 2,5 µm einigermaßen heruntergedrückt wurden. Bei den feinsten Stäuben war man nicht ganz so erfolgreich. Nach Olympia haben sich aber sukzessiv die alten Belastungen fast wieder eingestellt, obwohl weiterhin Maßnahmen wie die Verringerung des Straßenverkehrs auf 4/5 in Kraft sind.

Ein anderes Phänomen wurde allerdings unterschätzt.

Richtig. Die Rolle von Pflanzen durch Ausscheidung von volatilen organischen Verbindungen als Vorläufer für Smogsituationen. Es gab in der ersten Woche von Olympia ein riesiges Smogereignis, anders als sonst, sehr milchig. Man hatte zuvor überall in der Stadt intensiv große Bäume wie Platanen neu  gepflanzt. Die Vermutung ist, dass dieser Smog auf Vorläufersubstanzen aus frisch gepflanzten Bäumen, aus Isoprenausscheidungen, zurückzuführen ist. Gelöst wurde dieses Problem durch das "Impfen" der Wolken mit Silbernitrat wodurch Kristallisationskerne geschaffen wurden, damit das Ganze abregnen kann. Ab der zweiten Woche war es dann besser. Wir konnten auch beim Eröffnungsfeuerwerk nachweisen, dass bestimmte Alkalielemente in die Atmosphäre emittiert werden, deren Konzentration sich auch in unseren Proben erhöht hat. Das war für die Linderung der damaligen Smogsituation sicherlich nicht hilfreich.

Rote Farbe an den Häusern in Peking trägt zur Luftverschmutzung bei. Was steckt dahinter?

Das ist eine Farbe, die auf einer Quecksilberverbindung beruht. Die wird ein Stück weit mobilisiert durch Abrasions- und Verwitterungsprozesse. Wenn die Farbpartikel durch den Verkehr aufgewirbelt werden, können diese ein Stück weit zur Quecksilberbelastung beitragen. Bei uns werden diese Farben nicht mehr verwendet. In Peking dagegen schon, gerade im Bereich der verbotenen Stadt.

Gibt es Ihrerseits Handlungsempfehlungen an die Regierung bzw. teilen Sie Ihre Ergebnisse?

Wir veröffentlichen die Ergebnisse mit einer Regierungsorganisation (China Research Academy of Environmental Sciences, Beijing) über die diese an die Regierung gelangen. Wir arbeiten in diesem Sinne mit dem chinesischen Umweltministerium zusammen. Zudem wurde ein Paper über den Erfolg langfristiger Maßnahmen gegen Staubemissionen veröffentlicht. In der Phase nach Olympia, in der wieder alles erlaubt war, ging die Konzentration auch wieder hoch. Der Straßenverkehr wurde entsprechend wieder eingeschränkt. Die Regierung versuchte, die Industrie, d.h. die Emittenten, zu verlagern. Man hatte das bereits mit einer riesigen Stahlfabrik gemacht, deren Emissionen wir 2003 in Straßensedimenten nachweisen konnten. Auch technische Innovationen wie der Einbau von Filteranlagen werden weiter verfolgt. Problem in Peking zwischen 2005 bis heute ist das steigende Verkehrsaufkommen, die KFZ-Anzahl stieg von 1 Million auf 5 Millionen. Die tatsächliche Gesamtbelastung im Durchschnitt ist gleich geblieben mit einem leichten Trend zur Besserung.

Was bringt denn ein Fahrverbot für eine Verbesserung der Luftqualität?

Das hängt vom Fahrverbot ab. Es bringt etwas, wenn der Verkehr, wie zu Olympia, um die Hälfte reduziert wird. Es hängt auch von der meteorologischen Situation und möglichen Kessellagen ab. In Peking haben wir das Problem, dass sich manche Leute ein zweites Auto kaufen, und darauf achten, dass die Endung auf dem Nummernschild nicht mit dem des ersten übereinstimmt. Entsprechend umgehen sie somit das Fahrverbot. Zudem fahren Menschen, die früher häufiger auf das Auto verzichtet haben, bei einer Halbierung des Autoverkehrs wieder häufiger, da sie die angeblich staufreien Straßen nutzen wollen. Eine rechnerische Halbierung des Autoverkehrs führt also nicht immer zu einer tatsächlichen Halbierung, wenn z.B. an einem Tag die geraden Endungsziffern fahren dürfen und am nächsten Tag die ungeraden. 

In China haben wir natürlich die Möglichkeiten auch technisch etwas gegen die Aerosole oder die Staubbelastung oder den Smog zu tun, wie den Einsatz von entsprechenden Filtertechnologien oder die Verwendung von emissionsärmeren Rohstoffen. Es ist aber häufig eher die Frage, ob es wirtschaftlich oder politisch gewünscht ist. In Stuttgart bspw. hätte man das freiwillige Autoverzichtsverbot mit einer freien Nutzung des Nahverkehrs koppeln können. Frage ist hier dann, schafft der Nahverkehr das überhaupt?

Es gibt auch natürliche Faktoren für den Smog? Welche sind das?

Der Smog wird schon durch den Menschen hervorgerufen. Er wird durch Abgase hervorgerufen und ist eine Mischung aus Partikeln und Flüssigkeitstropfen, die die Sichtbedingungen weit heruntersetzen als wenn es Nebel wäre. Ausnahme sind Waldbrände wie in Indonesien. Ansonsten haben wir das Phänomen in China (Nordchina und Peking) mit hohen Aerosol- und Staubkonzentrationen. Gerade im Frühjahr, wenn die Luftmassen primär aus dem Nordwesten und Westen kommen und es zu diesen Dust-Events kommt, die aber eigentlich keinen klassischen Smog darstellen, weil ein Großteil der Partikel ja geogen ist. Der Pekinger Raum ist von Niederschlägen nicht gerade reicht gesegnet. Wenn die Ackerflächen nicht ständig durch Bewuchs fixiert sind, dann können auch die Peking umgebenden  landwirtschaftlichen Flächen dazu beitragen, dass Stäube in die Stadt hineingeweht werden.

Arbeiten sie in Deutschland mit Landesregierungen zusammen? Lassen sich ihre Ergebnisse auf Deutschland übertragen?

Wir haben eine Messstation hier in Karlsruhe. Die Ergebnisse tauschen wir mit dem hiesigen Umweltamt aus.

Können Zeiten der Feinstaubbelastung vorhergesagt werden?

Um mögliche erhöhte Feinstaubbelastungen vorherzusagen, werden die Wettervorhersagen für durchlüftungsarme oder austauscharme Wetterlagen herangezogen. Das ist sinnvoll, weil das Fahrverbot vor dem Smog ausgesprochen werden sollte. Wenn der Smog da ist, dann ist er da. Da hilft auch kein Fahrverbot mehr. An guten Modellen zur Vorhersage von Feinstaubbelastungssituationen mangelt es allerdings noch. Zum einen ist die Entstehung von Aerosolen aus gasförmigen Vorläufersubstanzen noch nicht vollständig verstanden, zum anderen wird dafür auch ein belastbares Emissionsmodell benötigt, zu dem auch entsprechend gute Daten über die Verkehrsemissionen gehören. Weiterhin wissen wir eigentlich zu wenig über die Aerosolkonzentrationen im direkten Aufenthaltsraum des Menschen in dem er atmet und sich bewegt, da verfügen wir nur über wenige punkthafte Messeinrichtungen, von denen wir sicherlich mehr bräuchten, auch schon um die zu entwickelnden Modelle zu validieren.

Das Interview führte Karl Dzuba, Wissensplattform "Erde und Umwelt".

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