Im April 2010 brach auf Island der Vulkan Eyjafjallajökul aus und legte in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas den Flugverkehr lahm. Die Geologin Christina Bonanati vom GEOMAR Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersucht die Aschelagen auf dem Meeresboden vor der süd- und ost-isländischen Küste. Hier finden sich die Ablagerungen jener Vulkanausbrüche der vergangenen 100.000 Jahre, deren Asche in Richtung Europa getragen wurde, also auch die des Vulkanausbruchs im Frühling 2010.

Wissenschaftler des GEOMAR haben sich zum Ziel gesetzt, mögliche Auswirkungen des Isländischen Vulkanismus auf Europa besser abschätzen zu können: Wie viele Vulkanausbrüche hat es in der Vergangenheit gegeben, von welchen Vulkanen und wie stark waren sie? Wird die Häufigkeit ihres Auftretens durch das Abschmelzen der isländischen Gletscher beeinflusst? Um Antworten auf all diese Fragen zu erhalten, fuhren zwölf Wissenschaftler des GEOMAR im August 2013 auf eine Expedition mit dem Forschungsschiff Poseidon.

Wesentliche Informationen erhalten die Wissenschaftler aus Sedimentkernen vom Meeresboden. Wie werden diese als geologisches Archiv genutzt?  „Bei explosiven Vulkanausbrüchen wird eine Wolke aus vulkanischer Asche produziert. In ihr sind sehr feine Glas- und Mineralpartikel enthalten, die vom Wind in verschiedene Richtungen geweht werden“, erklärt Bonanati. Irgendwann fallen diese Partikel, genannt Tephra, herunter und lagern sich über große Gebiete ab, an Land, wie auch im Meer. Dort sinken sie auf den Meeresboden ab, wo sie recht ungestört erhalten bleiben.

Um diese Proben zu gewinnen, wird ein mit Metall ummanteltes Plastikrohr mit einem tonnenschweren Gewicht in den Meeresboden gerammt. Das Rohr füllt sich wie ein Strohhalm, der in den Sand gesteckt wird mit Sediment, z.B. Sand, Ton und Vulkanasche. Die bis zu zehn Meter langen Sedimentkerne enthalten Ablagerungen und damit Informationen der letzten 100.000 Jahre. Sie stellen ein erdgeschichtliches Archiv dar. Zur genauen Untersuchung werden die Kerne der Länge nach aufgesägt: Neben organischen Bestandteilen wie Muschelschalen enthalten sie viel Tephra, d.h. vulkanisches Material. „Je nach Stärke der vulkanischen Eruption sowie der Art des Materials, können sich bis über 10 cm dicke Aschelagen bilden und sind somit schon mit bloßem Auge erkennbar“, erklärt Bonanati. „Manche sind jedoch so fein verteilt, dass sie nur mit exakten Analysemethoden identifiziert werden können.“ Daher werden die Sedimentkerne im Zentimeterabstand beprobt.

Vergleich von geochemischen Fingerabdrücken

Mit der Elektronenmikrosonde untersucht die Doktorandin am GEOMAR die Aschepartikel auf ihre chemische Zusammensetzung. Aus den Messungen entsteht für jede Tephra ein geochemischer Fingerabdruck, so dass sie einem Vulkan, einem Vulkansystem oder einem Ausbruchsereignis zugeordnet werden können. Somit können Aschelagen von Vulkanausbrüchen identifiziert werden, die vor tausenden von Jahren stattfanden. Denn die Aschepartikel wurden nicht nur am Meeresboden, sondern auch auf Island selbst und sogar in Europa abgelagert. Dort wurden sie zum Beispiel in Mooren oder Seesedimenten identifiziert und exakt  datiert. „Ich vergleiche meine Ergebnisse mit den Analysedaten von anderen Ablagerungen“, erklärt Bonanati. „Wenn der geochemische Fingerabdruck einer Aschelage mit dem einer schon vorher untersuchten Aschelage übereinstimmt, deutet das darauf hin, dass sie zum selben Ausbruchsereignis gehören.“ Manche großen Vulkanausbrüche haben weitreichende Spuren hinterlassen. Diese Aschen bilden nützliche Fixpunkte in der Abfolge der Eruptionen und helfen insbesondere, den zeitlichen Kontext besser einschätzen zu können. Solche Lagen werden Markerhorizont genannt. Nachdem viele Aschepartikel und Aschelagen in mehreren Sedimentkernen untersucht und über ihre chemische Zusammensetzung identifiziert wurden, wird auch ihre Verbreitung und Mächtigkeit betrachtet. Daraus und aus den Informationen von Untersuchungen anderer Wissenschaftler von anderen Lokalitäten, leiten die Forscher vom GEOMAR die Dimensionen vergangener Vulkanausbrüche ab und schließen daraus, wie sich die Aschewolken verbreitet haben. Durch das Zusammenfügen der Beobachtungen kann festgestellt werden, inwieweit sich die Häufigkeit und Stärke der Vulkanausbrüche in der erdgeschichtlichen Entwicklung bis heute verändert hat.

Die Forscher vom GEOMAR wollen auf diesem Wege die Entwicklung des isländischen Vulkanismus präziser und vollständiger aufnehmen. An Land wurde viel abgelagertes vulkanisches Material bereits abgetragen, am Meeresboden ist dieses dagegen noch erhalten. So könnte die Frage nach einer Veränderung der Eruptionsfrequenz seit der letzten Eiszeit mit Hilfe der Sedimentkerne aus dem Meer demnächst besser beantwortet werden. Wissenschaftler vermuten, dass das Abschmelzen der isländischen Gletscher zum häufigeren Auftreten von Vulkanausbrüchen führt. Diese Hypothese wurde bislang allerdings noch nicht bestätigt. Bei anhaltender Klimaerwärmung hätte dies eine weitere Steigerung der vulkanischen Aktivität auf Island zur Folge, die dann auch Festland-Europäer in Form von zunehmenden Ereignissen wie dem Vulkanausbruch 2010 betreffen könnte.

Im Video von Geomar TV Folge 4 ein Bericht über die Forschungsfahrt der FS Poseidon vor Island (ab 16:00 Min.). Geologen ziehen Sedimentkerne aus dem Boden, um mehr über Vulkanausbrüche der Vergangenheit zu erfahren.

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