Momentan bebt die Erde im Grenzgebiet der drei deutschen Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen und tschechischen Region um Asch und Eger wieder. Erdbeben sind im Vogtland – oder wie die Tschechen sagen im „Fojtsko“ – nicht ungewöhnlich. Letztes Jahr kam es beispielsweise im Juli an der deutsch-tschechischen Grenze zu diesen sogenannten Schwarmbeben. Das Epizentrum der stärksten Erschütterung lag damals in einer Tiefe von 7 km nördlich der tschechischen Gemeinde Nový Kostel/ Neukirchen. Seit dem 10. Mai 2018 kommt es nun erneut zu einer Serie stärkerer Erdbeben, wobei das bisher Heftigste am 21. Mai 2018 um 21:04 Uhr eine Magnitude von M 4,2 erreichte. (Daten: GEOFON).

Auf der Wissensplattform „Erde und Umwelt“ (ESKP) erläutert der Seismologe Prof. Dr. Torsten Dahm des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam einige Hintergründe zu diesen Schwarmbeben im Vogtland.

Was sind die Ursachen für Erdbeben im Vogtland?

Prof. Dr. Torsten Dahm: Erdbeben im Deutsch-Tschechischen Grenzgebiet, Vogtland/Westböhmen, sind seit Jahrhunderten bekannt. Dort treten immer wieder sogenannte Erdbebenschwärme auf, d.h. eine Vielzahl von schwachen und mittelstarken Erdbeben, die über Wochen bis Monate auftreten und keinem klaren Hauptbeben zugeordnet werden können. Diese Art der seismischen Aktivität unterscheidet sich von dem Seismizitätsmuster, das wir bei gewöhnlichen tektonischen Erdbeben beobachten. Es ähnelt der seismischen Aktivität, wie sie oft an aktiven Vulkanen oder in Hydrothermalfeldern gefunden wird. Der Begriff Schwarmbeben wurde im Vogtland eingeführt und wird heute weltweit verwendet, um dieses besondere Seismizitätsmuster zu beschreiben

Wie stark können die Beben im Vogtland nach ihrer Schätzung maximal werden?

Dahm: Seit der instrumentellen, seismischen Überwachung, also in etwa seit 100 Jahren, gab es keine Erdbeben im Vogtland mit Magnituden größer als ML 4,5. Aus historischen Überlieferungen sind uns für die enge Schwarmbebenregion auch keine stärkeren Erdbeben bekannt.
Etwas weiter nördlich gelegen, also bereits auf deutschem Gebiet, werden in den historischen Katalogen jedoch Einzelbeben mit etwas größeren Magnituden beschrieben bis etwa über M 5,5. Wir Seismologen gehen davon aus, dass auch im unmittelbaren Schwarmbebengebiet im Vogtland Erdbeben stärker als ML 4,5 auftreten können.

Bei dem Beben handelt es sich um ein so genanntes Schwarmbeben. Sie haben schon erklärt was das ist, aber wie entstehen denn Schwarmbeben?

Dahm: Die Ursache der Schwarmbeben im Vogtland ist bis heute noch nicht endgültig geklärt. Wir haben viele Hinweise, dass Schwarmbeben allgemein durch das Eindringen von Tiefenfluiden ins Gestein der Erdkruste und vorhandene Schwächezonen ausgelöst werden.
In anderen Regionen und z.B. in vulkanischen Zonen handelt es sich dabei häufig um Magmen, also glutflüssiges Gesteinsmaterial, das aus tieferen Bereichen der Erdkruste aufsteigt. Das besondere im Vogtland ist aber, dass hier kein aktiver Vulkanismus an der Oberfläche beobachtet wird.

Wir wissen mittlerweile jedoch, dass die Schwarmbeben auch im Vogtland mit dem Aufstieg von Fluiden durch die Erdkruste zusammenhängen. An der Erdoberfläche in Westböhmen und im Vogtland lassen sich beispielsweise viele Gas- und Fluidaustrittsstellen, sogenannte Mofetten, beobachten. Genauere Untersuchungen der ausgetretenen Gase haben ergeben, dass die Gase/Fluide aus großer Tiefe im Bereich des oberen Erdmantels, also deutlich tiefer als 30 km stammen, und magmatischen Ursprungs sind. Wir können bis heute jedoch nicht eindeutig sagen, ob in der Tiefe der Schwarmbeben, also etwa zwischen 6 und 10 km, aufgestiegene Magmen die Erdbeben auslösen oder ob es sich z. B. um Kohlenstoffdioxid (CO2) handelt. Jüngste Untersuchungen deuten einmal auf die erste, ein andermal auf die zweite Hypothese hin.

Jedenfalls wissen wir, dass die spezielle Schwarmbebenregion bei dem tschechischen Dorf Nový Kostel, wo auch das jüngste Erdbeben aufgetreten ist, durch alte und sich kreuzende Verwerfungen in der Kruste ausgezeichnet ist. Ebenso können wir bestimmen, dass die Fluide in der Tiefe unter starkem Überdruck stehen und die Verwerfungszonen eine erhebliche Scherspannung aufweisen. Das alles sind wichtige Voraussetzungen für das Auslösen von Erdbeben und Erdbebenschwärmen.

Seit wann treten im Vogtland Schwarmbeben auf und worauf lassen sich diese zurückführen?

Dahm: Schwarmbeben sind hier seit vielen hundert Jahren dokumentiert. 

Welche Forschungen haben zum Bereich Schwarmbeben am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und Umweltforschungszentrum (UFZ) bisher stattgefunden?

Dahm: Die Region wird von vielen Forschungsgruppen seit Jahren erforscht, insbesondere von unseren Tschechischen Kollegen, von uns am GFZ, vom UFZ und von mehreren Universitäten. Wir sind dem Phänomen Schwarmbeben und der Fluid und CO2-Entgasung sozusagen dicht auf der Spur. Um aber spezielle Hypothesen zu klären, müssen wir einen nächsten Schritt in Richtung genauere Beobachtungen tun. Insbesondere müssen wir die ganz kleinen Erdbeben aufzeichnen, welche Hinweise auf die Fluidaufstiegspfade unterhalb und oberhalb der eigentlichen Schwarmbeben geben können. Um das zu erreichen, wollen wir im Verbund eines internationalen Konsortiums und zusammen mit unseren Tschechischen Partnern ein modernes Observatorium aufbauen, das sich speziell dem Phänomen von Schwarmbeben und der diffusen CO2-Entgasung widmet.

Dieses Programm soll Messungen in Bohrlöchern realisieren und im Rahmen des Internationalen Kontinentalen Tiefbohrprogramms (ICDP) angesiedelt sein. 
Um das Konzept zu testen, haben wir am GFZ in der Abteilung „Erdbeben- und Vulkanphysik“ (Sektion 2.1) zusammen mit der Geophysik der Universität Potsdam erste Testmessungen in einem flachen Bohrloch durchgeführt, dass uns die Bad Brambacher Mineralbrunnen AG für diesen Zweck zeitweise zur Verfügung gestellt hatte. Die Sensoren in dem Bohrloch haben auch die jüngsten Erdbeben aufgezeichnet, die uns wichtige Aufschlüsse über den in der Tiefe abgestrahlten Frequenzgehalt der Ereignisse liefern.

Die Fragen an Prof. Torsten Dahm vom Deutschen GeoForschungsZentrum stellte Karl Dzuba, Earth System Knowledge Platform | eskp.de

Referenzen

  Dahm, T., Hrubcová, P., Fischer, T., Horálek, J., Korn, M., Buske, S. & Wagner, D. (2013). Eger Rift ICDP: an observatory for study of non-volcanic, mid-crustal earthquake swarms and accompanying phenomena. Scientific drilling, 16, 93-99. doi:10.5194/sd-16-93-2013

Weiterführende Informationen

  Zeh, J. (2018, 22. Mai). Schwarmbeben im Vogtland. „Wir wissen nicht, wann sie aufhören“ [Interview mit Torsten Dahm]. n-tv.de. Aufgerufen am 13.04.2021.

  Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. (2005, 22. September). Erstmals Anzeichen für magmatische Aktivität in Mitteleuropa beobachtet. Wissenschaftler finden neue Erklärung für Schwarmbeben im Vogtland [Pressemitteilung, www.ufz.de]. Aufgerufen am 13.04.2021.

Veröffentlicht: 23.05.2018, 5. Jahrgang

Zitierhinweis: Dahm, T. & Dzuba, K. (2018, 23. Mai). Schwarmbeben im Vogtland. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 5https://www.eskp.de/naturgefahren/schwarmbeben-im-vogtland-935995/

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