Die Alpen spielen für Hochwasser großer Flussläufe wie Rhein, Rhone, Donau und Po eine Schlüsselrolle. In zentraler Lage Europas gelegen speisen sie diese großen Flusssysteme. Zudem bilden die Alpen eine klimatische Trennung zwischen dem gemäßigten Klima Zentral- und Nordeuropas und dem mediterranen Klima Südeuropas. Dementsprechend entstehen gerade hier zum einen extreme Wettersituationen durch die unterschiedlichen Klimaten nördlich und südlich des Gebirges. Zum anderen werden hier die bedeutendsten Flusssysteme Mitteleuropas diesen Extremen ausgesetzt.

Hochwasser im Binnenland an Flüssen oder Seen entstehen im Wesentlichen auf Grund von ungewöhnlichen Niederschlagsereignissen. Kommen weitere Faktoren wie Schneeschmelze, gefrorene oder gesättigte Böden, Eisversatz auf den Flüssen hinzu, kann dies zu extremen Überschwemmungen führen. Hochwasser im Bereich von Meeresküsten werden durch Stürme (Sturmflut, Hurrikan) oder seismischen Aktivitäten (Tsunami) verursacht.

Die hydrometeorologisch verursachten Hochwasser in Mitteleuropa werden in drei Kategorien eingeteilt: 

  1. Großräumige Hochwasser durch lang anhaltende Niederschläge bestimmter quasi-stationärer zyklonaler Wetterlagen (z.B. Vb, TrM).
  2. Großräumige Hochwasser durch häufige Niederschläge über einen längeren Zeitraum (zyklonale Wetterlagen) in Verbindung mit Schneeschmelze (Winterhochwasser).
  3. Lokal begrenzte Hochwasser durch kurzfristige stationäre Starkniederschlagsereignisse (z.B. Sommergewitter), vor allem an kleineren Flussläufen.

Die häufigsten Hochwasser in Mitteleuropa treten in den späten Wintermonaten auf, da hier entweder die Böden versiegelt (gefroren bzw. gesättigt) oder große Mengen an Wasser bereits in Form von Schnee und Eis gespeichert sind. Zudem herrscht ein zonaler Witterungscharakter (Westlage) vor, der für eine vermehrte Abfolge von Tiefdruckgebieten verbunden mit Niederschlägen sorgt. Dieses Zusammentreffen von mehreren Faktoren hat in den 1990er Jahren zwei besonders starke Hochwasser an Rhein und Nebenflüssen verursacht (Typ 2; z.B. Fink et al., 1996).

Bestimmte Großwetterlagen können auch als Ursache für große Überschwemmungen alleine verantwortlich sein (Typ 1). Besonders die Regionen nordöstlich der Alpen sind hochwasseranfällig gegenüber der sogenannten Genua-Zyklogenese (Vb-Wetterlage). Diese Wetterlage hat als häufige Folge Starkniederschlagsereignisse nördlich der Alpen, da hier die feuchtwarme Mittelmeerluft auf die deutlich kältere Luft auf der Alpennordseite trifft. Verstärkende Effekte kommen durch die Höhenstruktur der Alpen, des Karpatenbogens und der nördlich angrenzenden Mittelgebirge hinzu. Auf diese Art und Weise sind die letzten großen mitteleuropäischen Hochwasser an Oder (1997, z.B. Grünewald et al., 1998), Elbe (2002, z.B. Rudolf und Rapp, 2003; James et al., 2004) und im bayerischen Voralpenland inklusive der Donau (1999/2005, z.B. Rudolf et al., 2005) entstanden. Diese Großwetterlage tritt besonders im Sommer oder Frühsommer auf.

Schwere Überschwemmungen und Hangrutschungen im Piemont 1994

Eine dem Genuatief sehr ähnliche Zyklogenese (allgemeine V-Wetterlage) kann auf der Alpensüdseite zu verheerenden Niederschlagsereignissen führen. Eine solche Konstellation hatte 1994 im Piemont (Nordost-Italien) starke Überschwemmungen und Hangrutschungen zur Folge (Buzzi et al., 1998). Die Niederschlagsmengen lagen teilweise bei mehr als 300mm/36h was auch zwangsläufig zu Hochwasser am Po führte.

Für die Ausprägung der Hochwasser sind neben der Niederschlagscharakteristik die hydrologischen Charakteristiken und Zustände der Einzugsgebiete von Bedeutung. Grundsätzlich gilt: Je größer das Einzugsgebiet, desto länger ist die Dauer des Hochwasserereignisses und der zeitliche Versatz zwischen dem verursachenden Niederschlagsereignis und dem Auftreten des Hochwassers.

Hochwasser sind an Bächen und kleineren Flüssen in Quellgebietsnähe durch schnelle Abflussbildung nach Starkniederschlägen und unmittelbar nach dem oder schon während des Niederschlagsereignisses auftretende Hochwasserwellen charakterisiert. Bei diesen Sturzfluten ("flash floods") steigt der Wasserstand innerhalb weniger Stunden drastisch an. Die durch Sturzfluten verursachten Überschwemmungen sind meist von vergleichsweise geringer Ausdehnung, die verursachten Schäden hingegen durch die hohen Fließgeschwindigkeiten oft sehr hoch. Dieses Phänomen war u.a. während des Hochwassers vom August 2002 an den Erzgebirgsflüssen zu beobachten (IKSE, 2004). Problematisch sind auch die geringen Vorwarnzeiten, die dem Katastrophenschutz zur Information der betroffenen Bevölkerung in diesem Fall zur Verfügung stehen.

Hochwasser in den großen Tieflandflüssen sind dagegen durch langsam anlaufende Hochwasserwellen und entsprechend lange Vorwarnzeiten charakterisiert. Dies ist durch die langen Fließwege von den Quellgebieten und die flache Topographie und somit langsame Abflussbildung in unmittelbarer Flussumgebung begründet. Die Dauer der Ereignisse ist hingegen deutlich länger als in den oberliegenden Flussabschnitten. Hochwasser am Niederrhein oder am Unterlauf der Elbe können je nach Dauer, Intensität und Ausdehnung der verursachenden Niederschläge mehrere Wochen anhalten.

Die lange Dauer dieser Ereignisse stellt eine bedeutende Gefährdung der Hochwasserschutzmaßnahmen dar. Durch die anhaltende hydraulische Belastung können Deiche durchweichen oder unterspült werden und in der Folge brechen. Die natürlichen oder durch Deichbruch verursachten Überflutungsflächen von Tieflandflüssen sind aufgrund der Abflussmengen und Topographie meist von sehr großer Ausdehnung, wie man z.B. im Falle des Oderhochwassers 1997 (Grünewald, 1998) oder des Elbehochwassers von 2002 (IKSE, 2004; Munich Re, 2003) beobachten konnte.

Die Schadenshöhe eines großflächigen Hochwasserereignisses unterliegt vielen beeinflussenden Faktoren, die entweder direkt auf die Ausdehnung der Überflutungsflächen wirken (z.B. Deichsicherungsmaßnahmen) oder die Vulnerabilität in den betroffenen Gebieten reduzieren (z.B. Vorwarnung, Sicherung der Gebäude mit Sandsäcken, Erfahrung im Umgang mit Hochwassern) (Kreibich et al., 2005a, 2005b).

Literatur/Quellen 

  • Buzzi, A., N. Tartaglione and P. Malguzzi, (1998): Numerical Simulations of the 1994 Piedmont flood: Role of Orographyand Moist processes, Mon. Weath. Rev., 126, 2369-2383.
  • Fink, A., U. Ulbrich and H. Engel, (1996): Aspects of the January 1995 flod in Germany, Weather, 51, 34-39.
  • Grünewald, U. et al., (1998): Ursachen, Verlauf und Folgen des Sommer-Hochwassers 1997 an der Oder sowie Aussagen zu bestehenden Risikopotentialen, Deutsches IDNDR-Komitee für Katastrophenvorbeugung e.V., Deutsche IDNDR-Reihe 10b, Bonn.
  • IKSE (Internationale Kommission zum Schutz der Elbe) (2004) Dokumentation des Hochwassers vom August 2002 im Einzugsgebiet der Elbe. IKSE, Magdeburg.
  • James, P., A. Stohl, N. Spichtinger, S. Eckhardt and C. Forster, (2004): Climatological aspects of the extreme European rainfall of August 2002 and a trajectory method for estimating the associated evaporative source regions, NHESS, 4, 733-746.
  • Kreibich H, Thieken AH, Müller M, Merz B (2005a) Precautionary measures reduce flood losses of households and companies - Insights from the 2002 flood in Saxony, Germany. In: van Alphen J, van Beek E, Taal M (eds.): Floods, from Defence to Management. Taylor & Francis Group, London, 851-859.
  • Kreibich H, Thieken AH, Petrow T, Müller M, Merz B (2005b) Flood loss reduction of private households due to building precautionary measures - Lessons Learned from the Elbe flood in August 2002. NHESS 5: 117-126.
  • Rudolf, B. and J. Rapp, (2003): The Century Flood of the River Elbe in August 2002: Synoptic Weather Development and Climatological Aspects, Quarterly Report of the German NWP-System of the Deutscher Wetterdienst, No. 2, Part 1, 8p.
  • Munich Re (2003) Topics Annual Review: Natural Catastrophes 2002. Munich Re Group, Munich.
  • Rudolf, B., H.Frank, J. Grieser, G. Müller-Westermeier, J. Rapp and W. Trampf, (2005): Hydrometeorologische Aspekte des Hochwassers in Südbayern im August 2005.

Text: Dr. Florian Elmer, GFZ

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