Bereits seit vielen Jahrhunderten gewinnt der Mensch durch Bergbau Bodenschätze und beeinflusst dadurch die Umwelt. Schon um 1880 waren im Ruhrgebiet die sogenannten Bergsenken bekannt. Es handelt sich dabei um großräumige Absenkungen des Bodens, die der Kohlebergbau verursachte. Auch dass der Bergbau Erdbeben induzieren kann, blieb nicht unbemerkt. Ab dem Jahr 1907 wurde im Ruhrgebiet das weltweit erste Überwachungssystem für „menschgemachte Erdbeben“ installiert. Die bisher stärksten, durch Bergbau induzierten Erdbeben in Deutschland ereigneten sich jedoch nicht im Ruhrgebiet, sondern in den Kalibergbaugebieten der Werra in Mitteldeutschland.

In den 1970-er Jahren konnte erstmals nachgewiesen werden, dass sich auch durch das Einbringen von Wasser in den Untergrund Erdbeben auslösen lassen. Damals suchte man nach Möglichkeiten, große Mengen chemisch belasteten Abwassers zu entsorgen und verpresste es gezielt. Abwasser, welches zwischen den Jahren 1962 bis 1965 in der Region Denver in einer Tiefe von 3,5 Kilometern verpresst wurde, löste zahlreiche Erdbeben aus. Die Erdbebenereignisse traten damals nicht nur während der Injektion auf, sondern noch Jahre später. So ereignete sich das bis dahin stärkste Ereignis mit einer Magnitude von 4,8 erst zwei Jahre nach der letzten Verpressung (Injektion) von Abwasser in den Untergrund.

Heute werden in den USA mehr als 140.000 Injektionsbohrungen genutzt, entweder für die Verpressung von Abwässern in der Tiefe oder zur Gewinnmaximierung bei der Ölförderung. Nur ein kleiner Prozentsatz davon löste Erdbeben mit einer Magnitude über 3 aus und wurde deshalb überhaupt bemerkt. Das bisher stärkste durch Injektion in der Nähe von Pawnee/ Oklahoma ausgelöste Ereignis im Jahr 2016 hatte jedoch eine Magnitude von 5,8 und führte zu zum Teil erheblichen Schäden an zahlreichen Gebäuden. Aufgrund dieses Ereignisses und der hohen Anzahl an Injektionsbohrungen werden menschgemachte Erdbeben in den USA seit wenigen Jahren in die Analyse der seismischen Gefährdung einbezogen.

Aber auch in Europa gab es in den letzten hundert Jahren die unterschiedlichsten Erdbeben, die entweder durch menschliche Eingriffe induziert oder ausgelöst wurden. In Südeuropa traten die stärksten ausgelösten Beben mit Magnituden über 5 in der Nähe von Stauseen auf. In Deutschland, den Niederlanden und Polen waren Bergbau sowie Gas- und Ölförderung die Hauptverursacher stärkerer induzierter Erdbeben. Zum Beispiel bebte zwischen 1940 und 1989 die Erde mehrmals in der Nähe von deutschen Kalibergbaugruben. Sie verzeichneten ebenfalls hohe Werte mit Magnituden bis zu 5,6 und verursachten beispielsweise im Werra-Kalirevier größere Sachschäden.

Die konventionelle Gasförderung hat in Europa Erdbeben bis knapp unterhalb der Magnitude 4,5 hervorgerufen. Eines der größten Gasfelder Europas auf Land liegt bei Groningen in den Niederlanden nahe der deutschen Grenze. Im Januar 2018 trat dort in nur 3 Kilometer Tiefe ein Schadensbeben auf. Bereits seit vielen Jahren war die Gegend von zahlreichen Erdbeben betroffen, mit Schäden an Tausenden von Häusern. Die niederländische Regierung hatte in Folge dessen ein aufwändiges Programm zur Reduzierung von menschgemachten Beben aufgelegt. Nach dem Erdbebenereignis 2018 haben die holländischen Ministerien im Frühjahr 2018 angekündigt, die Gasförderung in Groningen bis ins Jahr 2030 auslaufen zu lassen. Obgleich die menschgemachten Erdbeben in den östlichen Niederlanden lediglich eine Magnitude von 3,4 oder weniger hatten, sind sowohl die wirtschaftlichen Verluste wie auch die Kosten durch die Kompensation von Gebäudeschäden beachtlich.

Anders als in den USA haben Injektionen und Frackingverfahren in Europa bisher nur wenige Erdstöße mit Magnituden über 3 ausgelöst. Allerdings sind stimulierende Fluidinjektionen zur Entwicklung der tiefen Geothermie in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus der Diskussion geraten. Beispiele sind die beiden Schweizer Beben in Basel (M=3,4) im Jahr 2006 und in Sankt Gallen (M=3,5) im Jahr 2013. Nahe der Stadt Pohang in Südkorea trat in 2017 ein Erdbeben der Magnitude 5,5 in der Nähe einer Stimulationsbohrung einer Geothermie-Anlage auf. Das Ereignis wird kontrovers diskutiert, wäre es doch das bisher weltweit stärkste Erdbeben mit einer möglichen Verbindung zu einer geothermischen Exploration.

Induzierte und ausgelöste Erdbeben

Forscher unterscheiden zwischen induzierten und ausgelösten Beben, wenn sie menschgemachte Erdbeben begutachten. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, um Aussagen darüber zu treffen, wie groß ist der Anteil des Menschen an dem Erdbeben ist oder ob es ohnehin aufgetreten wäre, eben nur zu einem späteren Zeitpunkt. Die Frage ist also, inwieweit die Ereignisse zusätzlich durch natürliche tektonische Spannungen beeinflusst wurden, die sich über viele Jahrhunderte aufgebaut haben. Ein induziertes Erdbeben wäre ohne die menschliche Aktivität nicht aufgetreten. Ein ausgelöstes Erdbeben hingegen wird zwar in dem Zeitpunkt seines Auftretens durch den Menschen beeinflusst, im Wesentlichen aber werden die tektonischen Spannungen durch die Größe der Bruchfläche bestimmt und ein Erdbeben wäre in diesem Fall früher oder später unvermeidlich.

Es nicht unbedeutend, diese Ursachenforschung bis ins letzte Detail zu betreiben, insbesondere im Hinblick auf Versicherungsfälle. Ein besonders markantes Beispiel eines solchen Streitfalls stellt das Starkbeben im Jahr 2008 mit einer Magnitude von 7,9 am Rande des Wenchuan-Sedimentbeckens in China dar. Dieses Beben forderte mehr als 70.000 Menschenleben und verursachte wirtschaftliche Schäden von mehr als 40 Milliarden US-Dollar. In der Nähe des Epizentrums – also des Ortes, wo der Bruch begonnen hatte – wurde damals ein Stausee befüllt. Wissenschaftler sind sich bis heute nicht einig, ob der Stausee das Ereignis ausgelöst haben kann oder nicht.

Wie werden Erdbeben ausgelöst?

Die meisten Erdbeben sind abrupte, schnelle Scherbrüche. Sie entstehen also durch Versatz, nicht durch Dehnung der Erdkruste. Dieser Versatz der Erdkruste findet entlang bereits angelegter Schwächezonen oder vorhandener geologischer Verwerfungen statt. Überschreitet die in einem Gebiet vorhandene Scherspannung die Festigkeitsgrenze des Gesteins, so kommt es zu einem Bruch. Als Bruchkriterium wird meistens das „Coulombsche Spannungskriterium“ verwendet: Demnach ist die Scherfestigkeit des Gesteins umso höher, je stärker die Auflast von oben drückt.

Zwei geophysikalische Mechanismen erklären, wie ein Bruch ausgelöst werden kann. Zum einen kann die Scherspannung steigen und einen kritischen Wert überschreiten. Zum anderen kann die Auflast – oder allgemeiner: die senkrecht wirkende, kompressive Normalspannung – sinken und einen kritischen Wert unterschreiten.

Wird beispielsweise ein Stausee gefüllt, so wächst durch die Kompression des Gesteins die Scherspannung. Den gleichen Effekt kann die Massenumlagerung durch Bergbau haben. Ebenso kann die Wegnahme von Auflast – zum Beispiel durch Entleerung eines Gas- oder Ölfelds oder Aushub von Erdmasse – das Gestein in die Nähe kritischer Werte der Scherspannung bringen.
 


Für den zweiten Mechanismus – die Absenkung der senkrecht wirkenden, kompressiven Normalspannung – spielt der Porendruck im Gestein eine wichtige Rolle. Jedes Gestein hat eine charakteristische Porosität. Der innere Porendruck, der im Skelett des porösen Gesteins wirksam ist, gleicht die Normalspannung aus, also zum Beispiel die Spannung durch Auflast. Mit wachsendem Porendruck sinkt daher die wirksame Normalspannung, während die Scherspannung gleich bleibt. Nach dem Coulombschen Spannungskriterium steigt in Folge die Bruchgefahr. So kann zum Beispiel das Einpressen von Fluiden in den Untergrund Erdbeben auslösen.

Der Porendruck wird vor allem dann beeinflusst, wenn Schichten mit hoher Durchlässigkeit –etwa wasserleitende Schichten – mit einer Injektionsbohrung oder einem Stausee in Verbindung stehen. Bei einem Stausee kann das unbeabsichtigt passieren. In anderen Fällen ist die Injektion in wasserleitende Schichten gewollt, um große Mengen von Fluiden im Untergrund zu „verpressen“.

Allerdings muss sich für die Auslösung eines Erdbebens nicht nur der Spannungszustand im Untergrund ändern. Eine weitere notwendige Voraussetzung ist die Existenz einer Schwächezone oder Verwerfung. Erst das lässt einen Gesteinsbruch einer gewissen Größe zu. Wie Abbildung 1 verdeutlicht, können solche Verwerfungen auch in einiger Entfernung zu dem Gebiet, in dem die menschliche Aktivität stattfindet, beeinflusst werden.

Wollen Wissenschaftler das Erdbebenpotenzial im Umfeld geotechnischer Anlagen abschätzen, müssen sie also nicht nur Spannungs- und Porendruckänderungen im Gestein ermitteln, sondern auch Störungszonen im Untergrund erkunden.

Sind induzierte Erdbeben vorhersagbar?

Es ist zwar bekannt, unter welchen Bedingungen sich ein Bruch ereignet, der mit einem Erdbeben einhergeht. Dennoch können weder induzierte noch ausgelöste oder rein natürliche Erdbeben auf Tag und Stärke vorhergesagt werden. Zum einen weisen die Bruchkriterien nur auf eine mögliche Auslösung hin. Sie enthalten aber keine Information über die Stärke des Bebens. Damit sich ein ausgelöster Bruch zu einem spürbaren Erdbeben entwickelt, muss sich der Bruch ausbreiten können. Je größer die Bruchfläche wächst, desto stärker wird das Beben.

Wir verstehen bis heute nicht genau, wann ein Bruch stoppt und warum sich nicht jedes kleine Beben zu einem Starkbeben entwickelt. Allerdings können Seismologen aus vielen Beobachtungen ableiten, wie die Statistik der „Bruchgrößenverteilung“ aussieht. Sie scheint einer strengen Gesetzmäßigkeit zu folgen – dies gilt sowohl für natürliche wie auch für induzierte Erdbeben. Mittlerweile ist es auch möglich mit Hilfe von Seismizitätsmodellen abzuschätzen, wie sich diese Erdbebenstatistik verändert, wenn die Spannungen im Untergrund beeinflusst werden.

Das am Deutschen GeoForschungsZentrum verwendete Seismizitätsmodell berücksichtigt sowohl Spannungen durch tektonische Belastung als auch durch menschliche Aktivitäten. Da ein detailliertes Wissen über den Spannungszustand und die Bruchausbreitung fehlt, erlaubt dieser Ansatz aber nur eine Wahrscheinlichkeitsvorhersage. Jedes einzelne Erdbeben auf Tag, Stunde und Magnitude genau vorherzusagen, ist damit nicht möglich.

Können Forscher zwischen „induzierten“ und „ausgelösten“ Beben unterscheiden?

Ob ein Erdbeben durch menschliche Aktivität nur ausgelöst oder vollständig induziert wurde, ist bis heute schwer zu unterscheiden. Eine Möglichkeit dies zu eruieren liegt im Vergleich der erwarteten Erdbebenrate aufgrund der rein tektonischen Coulombspannungsrate mit der durch den Menschen eingebrachten Coulombspannungsrate. Die Spannungsrate und ihre zeitliche Änderung stehen in Zusammenhang mit der Erdbebenrate. Ist die abgeschätzte tektonische Erdbebenrate kleiner als die menschgemachte, dann ist das Erdbeben mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgelöst. Ist sie größer, dann ist das Beben wahrscheinlich tektonischen Ursprungs.

Um zwischen ausgelösten und induzierten Erdbeben zu unterscheiden, genügt es nicht, nur den Ort des Bruchbeginns zu untersuchen. Es ist wichtig zu wissen, ob die menschgemachten Coulombspannungsänderungen tatsächlich über die gesamte Fläche des späteren Bruchs dominieren. Ein weiteres Kriterium untersucht, ob die freigesetzte Erdbeben-Energie kleiner ist als die durch den Menschen eingebrachte potenzielle Energie. Um das zu bestimmen benötigt man detaillierte Daten über den Untergrund, die allerdings ohne Hilfe der Anlagenbetreiber nur schwer erhoben werden können.
 

Text: Prof. Dr. Torsten Dahm, Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum | GFZ

Referenzen

  Anthropogene Erdbeben. (o.D.). [Webseite des GFZ zum Forschungsthema 4 „Naturgefahren“, www.gfz-potsdam.de]. Aufgerufen am 12.04.2021.

  Braun, T., Cesca, S., Kühn, D., Martirosian-Janssen, A. & Dahm, T. (2018). Anthropogenic seismicity in Italy and its relation to tectonics: State of the art and perspectives. Anthropocene, 21, 80-94. doi:10.1016/j.ancene.2018.02.001

  Dahm, T., Becker, D., Bishoff, M., Cesca, S., Dost, B., Fritschen, R., ... Husen, S. (2013). Recommendation for the discrimination of human-related and natural seismicity. Journal of Seismology, 17, 197-202. doi:10.1007/s10950-012-9295-6

  Dahm, T., Cesca, S., Hainzl, S., Braun, T. & Krüger, F. (2015). Discrimination between induced, triggered, and natural earthquakes close to hydrocarbon reservoirs: A probabilistic approach based on the modeling of depletion-induced stress changes and seismological source parameters. Journal of Geophysical Research, 120(4), 2491-2509. doi:10.1002/2014JB011778

  Koyna-Bohrprojekt zur Erforschung induzierter Seismizität. (2015, 16. Januar). [Webseite des GFZ zu Veranstaltungen, www.gfz-potsdam.de]. Aufgerufen am 12.04.2021.

Veröffentlicht: 07.11.2018, 5. Jahrgang

Zitierhinweis: Dahm, T (2018, 7. November). Menschgemachte Erdbeben – induziert oder ausgelöst? Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 5https://www.eskp.de/naturgefahren/erdbeben-induziert-oder-ausgeloest-9351016/

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