Der Antarktische Eisschild bedeckt nahezu vollständig den Kontinent Antarktika am Südpol und umfasst eine Fläche, die größer als Europa ist. Die mittlere Eismächtigkeit liegt bei über 2.000 Metern. Sein Eis fließt in einem ständigen Kreislauf unter dem Einfluss der Gravitation vom Inneren des Eisschildes, wo es durch Schneefall neu gebildet wird, an seine Küstenlinie. Dort schwimmt das Eis auf und es entstehen zum Teil ausgedehnte Schelfeisflächen. Das in den Schelfeisen gebundene Süßwasser gelangt dann in etwa gleichen Teilen durch das Kalben von Eisbergen und  Schmelzen durch den Kontakt mit dem wärmeren Meerwasser an der Schelfeisunterseite in den Ozean.

Diese Schmelzprozesse haben großen Einfluss auf die Schelfeismächtigkeit und damit auch auf die Geometrie der Kaverne unterhalb des Schelfeises, was wiederum die dortige Zirkulation des Meerwassers beeinflusst. Gleichzeitig hat die Mächtigkeit eines Schelfeises aber auch starke Auswirkungen auf die Fließdynamik des angrenzenden gegründeten Eisschildes. Solche Wechselwirkungen zwischen Schelfeis und Ozean sind damit für die Entwicklung des Antarktischen Eisschildes und somit auch des globalen Meeresspiegels von großer Bedeutung.

Einsatz von Klimamodellen zur Simulationder Eis-Ozean-Wechselwirkungen

Neben ozenanographischen und glaziologischen Beobachtungen nutzen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) auch Modelle des Ozeans sowie des Schelf- und Inlandseises, um den aktuellen Zustand des Klimasystems und mögliche Änderungen zu untersuchen. Solche Klimamodelle sind Werkzeuge, die das Klimasystem numerisch simulieren, indem die das Klimasystem beschreibenden physikalischen Grundgleichungen auf Supercomputern gelöst werden. Sie werden zumeist angewendet, um Daten zu analysieren, Klimaprozesse zu verstehen und Vorhersagen zu erstellen.

Für aktuelle Arbeiten wird das Finite-Element Sea ice – ice shelf – Ocean Model (FESOM) mit einem dynamisch-thermodynamischen Eismodell (RIMBAY) gekoppelt um die Entwicklung des westantarktischen Filchner-Ronne-Schelfeises in Wechselwirkung mit dem südlichen Weddellmeer zu simulieren. Die Auswirkungen der Eis-Ozean-Wechselwirkungen in dieser Region gehen über den lokalen Rahmen weit hinaus, da hier ausströmende Wassermassen einen entscheidenden Beitrag zur globalen Umwälzbewegung des Ozeans leisten.

Im gegenwärtigen Zustand des Klimasystems ist die Kaverne des Filchner-Ronne-Schelfeises mit salzreichem Wasser gefüllt, dessen Temperatur nahe dem Oberflächengefrierpunkt liegt. Diese Wassermasse entsteht, indem vergleichsweise warmes und salzreiches Tiefenwasser aus dem offenen Ozean auf den breiten, relativ flachen Kontinentalschelf im südlichen Weddellmeer strömt. Hier kühlt das Wasser ab und wird durch die Bildung großer Mengen Meereises mit Salz angereichert. Aufgrund seiner hohen Dichte breitet sich dieses salzreiche Schelfwasser am Meeresboden bis in die stellenweise 1.500 Meter tiefe Schelfeiskaverne aus. Nahe der Grenze zwischen Schelfeis und Inlandeis (Aufsetzlinie) führt der Temperaturkontrast zwischen dem einströmenden Schelfwasser  und der in-situ Gefrierpunktstemperatur an der Schelfeisbasis zum Schmelzen von Eis und damit zu einer erheblichen Ausdünnung des Schelfeises.

Das Filchner-Ronne-Schelfeis ist mit über 420.000 km2 das flächenmäßig zweitgrößte Schelfeis der Antarktis. Typische Schmelzraten nahe der Aufsetzlinie liegen momentan zwischen 5 und 7 Metern pro Jahr, wobei die über die Gesamtfläche gemittelte Schmelzrate etwa 0,35 Meter pro Jahr beträgt. Nach Erkenntnissen der AWI-Wissenschaftler aus FESOM-Studien könnten die Verlustraten durch die Neuorientierung eines warmen Küstenstroms im südlichen Weddellmeer bis Mitte des 22. Jahrhunderts lokal auf bis zu 18 Meter ansteigen und dann einem mittleren Wert von 3 Metern pro Jahr entsprechen.

Abfließen von Eismassen bewirkt Anstieg des Meeresspiegels

Das eigentliche Schmelzen des Schelfeises hat hierbei nur geringe Auswirkungen auf den Meeresspiegel, denn es ändert nur die Wassertemperatur und den Salzgehalt des Meeres (sterischer Effekt). Einen deutlich größeren Effekt auf  den Meeresspiegel hat dagegen ein beschleunigtes Abfließen von Eismassen aus dem Antarktischen Eisschild in den Ozean (eustatischer Effekt) als Folge einer reduzierten Schelfeisdicke. Denn ausgedehnte Schelfeisgebiete üben einen stützenden Effekt auf das Inlandeis aus und hemmen so den Abfluss von Gletschern und Eisströmen. Schon eine reduzierte Schelfeisdicke kann somit den Eistransport beschleunigen. Modellrechnungen zufolge trägt dieser Prozess bis zum Jahr 2200 mit zusätzlichen rund 39 mm zum Anstieg des globalen Meeresspiegels bei.

Das Ziel weiterer Untersuchungen mit dem gekoppelten Meereis-Ozean-Inlandeismodell ist eine bessere Abschätzung zukünftiger Klimaänderung in der Antarktis. Der Fokus liegt hier auf der Stabilität des Westantarktischen Eisschildes, da dessen unter dem Meeresspiegel gegründete Eismasse durch den unmittelbaren Kontakt zum Ozean besonders sensibel auf Klimaänderungen reagiert. Das hierbei entstehende Schmelzwasser wird in den nächsten Dekaden neben den Beiträgen der grönländischen Eiskappe und der weltweiten Gebirgsgletscher zunehmend an Bedeutung für den eustatischen Meeresspiegelanstieg gewinnen.

Autoren: Dr. Sebastian Goeller, Dr. Ralph Timmermann (beide AWI)
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Helmholtz-Verbund Regionale Klimaveränderungen REKLIM