Berge sind die Heimat eines bedeutenden Anteils der Weltbevölkerung. Sie beherbergen aber auch die Hälfte der globalen Biodiversität-Hotspots und damit eine einzigartige Flora und Fauna. In jeder Höhenstufe finden Organismen spezifische Bedingungen vor und zahlreiche, vom Aussterben bedrohte Arten haben hier ihren Lebens- und Rückzugsraum. Gebirgsregionen sind darüber hinaus ein unverzichtbarer Bestandteil des Wasserkreislaufes: als "Wassertürme der Welt" versorgen sie uns mit Trinkwasser, sichern die Bewässerung weiter Regionen, ermöglichen Wasserkraft oder stellen Wasser für große Industrien zur Verfügung. Andere essentielle Ökosystemleistungen sind die Produktion von Holz, sowohl als Energieträger wie auch für Baumaterial, sowie die nicht zu unterschlagende kulturelle Leistung als Erholungsgebiete für Menschen. Bergregionen sind deshalb von globaler gesellschaftlicher Relevanz. Doch die Biodiversität in Gebirgsregionen reagiert besonders empfindlich auf den Klimawandel und die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten. Bergökosysteme können daher in der Tat als Zeiger des Wandels angesehen werden.

Hochgebirge erwärmen sich im Schnitt stärker

Es gibt zunehmend Belege dafür, dass sich die Erwärmungsrate mit der Höhe verstärkt, so dass Hochgebirge schnelleren Temperaturveränderungen ausgesetzt sind als die Welt im globalen Durchschnitt. Hochgebirge erwärmen sich im Schnitt auch stärker als niedrigere Talregionen. Diese überdurchschnittliche und höhenabhängige Erwärmung hat immense Konsequenzen, insbesondere für die Massenbilanz der Gletscher und den damit verbundenen Wasserabfluss in tiefere Regionen, aber auch für die Ökosysteme und die biologische Vielfalt. Auf diesen drei Themen sollte daher ein besonderes Augenmerk liegen. Die Reaktion der Biodiversität einer Bergregion auf den Klimawandel hängt dabei ganz wesentlich von der geographischen Lage, Form, Ausdehnung, Höhe, Vegetation und dem lokalen Klima ab.

Süßgewässer der Bergregionen als Schlüsselökosysteme für Klimastudien

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Süßwassersysteme verschlimmern die negativen Auswirkungen bereits bestehender Stressoren. Dazu gehören vor allem das Bevölkerungswachstum, die damit einhergehende Wasserverschmutzung, der Verlust und Zerstörung von Lebensräumen, Landnutzungsänderungen aber auch die Urbanisierung. Nahezu alle Formen anthropogener Störungen sind schädlich für Lebewesen in Süßgewässern und Biodiversitätsverlust ist die Folge mit ungewissen Einflüssen auf die natürlichen Prozesse. Der globale Wandel bedroht Feuchtgebiete weltweit. Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Feuchtgebiete sind bereits verschwunden (RAMSAR).

Untersuchungen der Süßwasser-Ökosysteme in Bergregionen versprechen besonders aussagekräftige Ergebnisse. Diese Ökosysteme sind besonders klimaanfällig und somit Schlüsselökosysteme für Klimastudien, da sie nicht nur durch veränderte durchschnittliche Umweltbedingungen, sondern auch durch extreme Klimaverhältnisse beeinflusst werden. Die Wasserverhältnisse schwanken in den Bergen zwischen viel zu wenig und viel zu viel Wasser hin und her, die hydrologischen Verhältnisse ändern sich also stark. Das stark veränderte Wasserniveau bringt dann die biologische Dynamik aus dem Gleichgewicht. Weltweit werden, so die düstere Prognose, die negativen Auswirkungen des zukünftigen Klimawandels auf die Süßwasserökosysteme mögliche Vorteile überwiegen.

Die Komplexität der Wechselwirkungen erfordert eine interdisziplinäre Erforschung des globalen Wandels im Gebirge, da sich natürliche und soziale Systeme in nichtlinearer Weise verhalten. Nichtlinear bedeutet auch schlecht vorhersehbar. Maßnahmen greifen eventuell zu spät. Zukünftige Forschung muss Prozesse besser verstehen lernen, damit der Einfluss durch die menschliche Nutzung der Berge, die dadurch verursachte Verschmutzung und die Auswirkungen auf die Bergbiota, besser abgeschätzt werden können.

Zum Beispiel können Sedimentanalysen Aufschluss über die jüngere Vergangenheit anthropogen verursachter Veränderungen geben. Der Fokus sollte dabei auf Sedimenten von kleinen, aber hoch produktiven Gewässern liegen, da dort Auswirkungen des globalen Wandels am besten beobachtet werden können. Als kleine Gewässer gelten solche, die circa ein bis 500 Quadratmeter groß sind. Dort sollten verstärkt Mikroorganismen untersucht werden, aber auch Biofilme, verschiedene Planktonarten und Amphibien. Letztere nehmen eine ökosystemare Schlüsselrolle ein, aber Amphibien sind auch ideale Modellorganismen um den Zusammenhang zwischen dem verstärkten Auftreten von Krankheitserregern in Wildtieren und dem globalen Wandel besser zu verstehen.

Internationales Projekt untersucht den Wandel der Biodiversität in Bergökosystemen

Das internationale Projekt „People, Pollution and Pathogens – Mountains as sentinels of change“ (P³) kann dabei ein Meilenstein werden. Forschungsziel von P³ ist es, die Auswirkungen des globalen Wandels auf Mikroben und pathogene Organismen, Plankton, Insekten, und Amphibien in aquatischen und daran angrenzenden terrestrischen Bergökosystemen zu verstehen. Ein Kernelement der P³-Philosophie ist, das derzeitig verfügbare Wissen zu synthetisieren und mit neuen Daten zu ergänzen, um verallgemeinerbare Erkenntnisse zum Einfluss des globalen Wandels auf Bergregionen und deren Nutzung zu erarbeiten. Zentral sind hierbei drei übergeordnete Aspekte: 1) die Sammlung von historischen Daten über die verschiedenen Bergketten und der Etablierung eines Netzwerks von Bergbeobachtungsstellen, 2) die Analyse der aktuellen Verteilungsmuster von Schadstoffen, Fauna, Mikroorganismen und Krankheitserregern in Bezug auf Landnutzung und Höhenlage, und 3) die Synthese aller Ergebnisse in das Konzept „Bergökosysteme als Zeiger des Wandels“.

Künftige Forschungsarbeiten müssen sich darüber hinaus auch mit der Einstellung von Stakeholdern und der Öffentlichkeit zu Biodiversität und ihrem Schutz befassen, da Verhaltensreaktionen auf Erhaltungsmaßnahmen von Einstellungen und subjektiven Normen ausgehen. Die Evaluierung des öffentlichen Verständnisses, der Akzeptanz und der Wirkung von Naturschutzmaßnahmen ist daher wichtig für die Entwicklung neuer Managementstrategien. Zwangsmaßnahmen zur Erhaltung der Bergökosysteme können ansonsten, trotz guter Absichten, extrem unpopulär werden.

Referenzen

  Schmeller, D. S., Loyau, A, Bao, K. Brack, W., Chatzinotas, A., De Vleeschouwer, F., ... Vredenburg, V. T. (2018). People, pollution and pathogens – Global change impacts in mountain freshwater ecosystems. Science of The Total Environment, 622-623, 756-763. doi:10.1016/j.scitotenv.2017.12.006

  Wende, W., Tucker, G.-M., Quétier, F., Rayment, M. & Darbi, M. (Hrsg.) (2018). Biodiversity Offsets. European Perspectives on No Net Loss of Biodiversity and Ecosystem Services. Cham: Springer. doi:10.1007/978-3-319-72581-9

Weiterführende Informationen

Forschungssteckbrief  P3: Das vom Belmont Forum finanzierte internationale Projekt „People, Pollution and Pathogens – Mountains as sentinels of change“ (P³) startete im Mai 2016 am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ und wird 48 Monate laufen. Es vereint UFZ-Wissenschaftler mit Kollegen verschiedener naturwissenschaftlicher Disziplinen (Chemie, Epidemiologie, Hydrologie, Ökologie, Mikrobiologie, Toxikologie, Soziologie) aus den USA, China und Frankreich. Allein am UFZ bringt dieses interdisziplinäre Projekt Wissenschaftler aus der Biodiversitäts-, Wasser- und Schadstoffforschung zusammen und bezieht auch die Querschnittskompetenzen Sozialwissenschaften, Modellierung und Monitoring ein. Die Arbeiten werden entlang von Höhengradienten in vier Bergketten durchgeführt, die gemeinsame, aber auch unterschiedliche Eigenschaften aufweisen: die Pyrenäen (Frankreich), das Dhofar-Gebirge (Oman), die Sierra Nevada (USA) und die Großen Hinggan Berge (China).

Vorstellung des internationalen Projektes  "P3 - People, Pollution and Pathogens" (engl.)

Die Ergebnisse der P³-Forschung werden das aktuelle Verständnis über die Auswirkungen des globalen Wandels auf die Funktionsweise, Stoffkreisläufe und die Artenvielfalt von Bergkökosystemen verbessern. Zum Beispiel wird P³ Vorhersagemodelle entwickeln, um Regionen zu identifizieren, in denen Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt besonders dringend sind. Die Ergebnisse von P³ haben somit letztendlich eine breitere gesellschaftliche Relevanz, da auch die Risiken auf die gesellschaftlichen Perspektiven in Bergökosystemen bewertet werden. Es ist deshalb wichtig, dass die P³-Forschung auch an die breite Öffentlichkeit kommuniziert wird. Dies soll das bisher kaum vorhandene Bewusstsein für die globalen Veränderungen in Bergregionen und für die damit einhergehenden Probleme und Risiken verstärken.

Veröffentlicht: 13.03.2018, 5. Jahrgang

Zitierhinweis: Schmeller, D. (2018, 13. März). Süßgewässer der Bergregionen als Zeiger für den Klimawandel. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 5. https://www.eskp.de/klimawandel/suessgewaesser-der-bergregionen-als-zeiger-fuer-den-klimawandel-935977/

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