Im Bereich der deutschen Küstenregionen bestehen Risiken wie Verschmutzungen durch Unfälle im Zusammenhang mit Öltankern und Ölbohrinseln oder Windfarmen. Zudem existiert aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels ein erhöhtes Überflutungsrisiko. Um neue Strategien zu entwickeln, die dieser Tendenz entgegenwirken, ist ein tieferes Verständnis für die geophysikalischen Prozesse im Ozean und im besonderen Maße in den Küstengebieten von äußerster Wichtigkeit. Welle-Strömungswechselwirkungen beschreiben hierbei Prozesse wie das Aufsteilen von Wellen durch gegenläufige Strömungen und den Austausch von Energie zwischen diesen beiden Größen. Der Energieaustausch kann z.B. im Bereich der deutschen Wattenmeerinseln starke Strömungen erzeugen.

Schematisch wird ein Teil dieser Interaktionen in Abbildung 1 dargestellt. Wenn Oberflächenwellen sich der Küste in einem bestimmten Winkel nähern, werden diese in Richtung der Küste gebeugt, so dass sich ihre Wellenfronten parallel zu dieser ausrichten. Gleichzeitig setzt in der Brandungszone das Brechen der Wellen ein, wodurch sich die Wellenhöhe und daraus resultierend die Wellenenergie verringert. Ein Teil dieser Energie kann in eine Strömung übergehen, die sich parallel zur Küste ausrichtet und besonders im Fall von Extremereignissen wie Stürmen relativ hohe Geschwindigkeitswerte annehmen kann. Andere Strömungen, die durch Wellen verursacht werden können, sind die besonders für Schwimmer gefährlichen Rippströmungen. Diese können entstehen, wenn das von den Wellen auf den Strand geströmte Wasser nur durch enge Bereiche zwischen Hindernissen wie Sandbänken ins Meer zurückfließen kann und hierbei starke Strömungsgeschwindigkeiten erzeugt. Schwimmer, die in solche Rippströmungen geraten, können oft nicht dagegen anschwimmen, um wieder an Land zu gelangen.

Leider gibt es im Bereich der deutschen Küste wenige qualitativ hochwertige Daten, um die Welle-Strömungsinteraktionen zu quantifizieren. Um diese Prozesse trotzdem näher zu erforschen, kommen am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) verschiedene numerische Modellsysteme (siehe Linktipp unten) zum Einsatz. Diese Modellsysteme bestehen hauptsächlich aus einem hydrodynamischen Strömungsmodell und einem daran gekoppelten Oberflächenwellenmodell. Sie werden auf Höchstleistungsrechnern betrieben und tauschen während des Ausführens der Berechnungen Informationen wie den Wasserstand, Strömungsgeschwindigkeiten und Wellenhöhe untereinander aus. Hierbei hat es sich bewährt, auch unstrukturierte Modelle einzusetzen, mit denen eine über das Modellgebiet variable und im Gebiet der Küstenregionen besonders hohe Auflösung gewählt werden kann. Hierdurch kann die Küstenlinie entsprechend dargestellt und die geophysikalischen Prozesse berechnet und modelliert werden.

Mit den Modellsystemen werden insbesondere Sturmsituationen nachgerechnet, um zu zeigen, dass sich durch die Kopplung von Strömung und Wellen eine bessere Vorhersage von Wasserständen, Wellenhöhen und Strömungen ermöglichen lässt. Für den Sturm Britta aus dem Jahr 2006 wurden zusätzliche durch Wellen getriebene Strömungen von bis zu 1 m/s simuliert (siehe Abbildung 2), wodurch sich die berechneten Strömungsgeschwindigkeiten vor den ostfriesischen Inseln teilweise verdoppeln. Auch die Wasserstände werden unter Berücksichtigung des Welleneinflusses in den Modellergebnissen erhöht. Dies kann zu einer besseren Reproduktion von Beobachtungsdaten z.B. während des Sturms Xaver im Jahr 2013 führen (siehe Abbildung 3).

Diese Ergebnisse zeigen die Wichtigkeit des Einsatzes von gekoppelten numerischen Modellen während Sturmereignissen  für eine optimierte Vorhersage der Vorgänge an der Küste. Auch Sedimentfrachtberechnungen könnten durch die Kopplung verbessert werden, da diese stark durch die vorherrschenden Strömungsverhältnisse beeinflusst werden. Ein weiterer Schritt in dieser Entwicklung ist die Kopplung von Atmosphärenmodellen, woran derzeit am HZG gearbeitet wird und bereits erste erfolgsversprechende Ergebnisse erzielt werden konnten.

Quellen

  Grashorn, S., Lettmann, K.A., Wolff, J.-O., Badewien, T.H., Stanev, E.V. (2015) East Frisian Wadden Sea hydrodynamics and wave effects in an unstructured-grid model. Ocean Dyn. 65(3): 419–434 DOI 10.1007/s10236-014-0807-5
  Staneva, J., Wahle, K., Günther, H., Stanev, E. (2015) Coupling of wave and circulation models in coastal-ocean predicting systems: a case study for the German Bight. Ocean Sci. Discuss. 12: 3169–3197

Weiterführende Information

 Strömungs- und Wellenmodelle Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG)

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