Flugfähig und doch wenig mobil

80% aller Tagfalterarten leben in sehr kleinen, häufig isolierten Lebensräumen. Auch wenn es einige Wanderarten, wie zum Beispiel den Distelfalter (Vanessa cardui) gibt, der jedes Jahr erneut von der Sahara nach Deutschland und in mehreren Etappen weiter nach Nordeuropa fliegt, sind Falter in der Regel wenig mobil. Sie fliegen selten weiter als 2 km. Der Verlust eines Habitats ist deshalb fatal. Oft sind Raupe und Schmetterling auf unterschiedliche, aber sehr spezielle, oft auch seltene Nahrungspflanzen angewiesen. Die Rüssellänge des Falters bestimmt unter anderem, welche Blütenpflanzen er bevorzugt. Besonders wählerisch aber können Raupen sein. Die Raupe des Tagpfauenauges (Aglais io) ernährt sich einzig von der Großen Brennnessel, nur ab und an von Hopfen. Noch komplizierter wird es, wenn die Raupenfraßpflanze eines Schmetterlings – anders als im Fall der Brennnessel – besonders selten ist. Die meisten Schmetterlingsarten sind oligophag, d.h. für sie kommen nur wenige Pflanzenarten, meist aus der gleichen Pflanzengattung als Nahrungsquelle in Frage. Aber auch der Schmetterling ist wählerisch, oft auch in Bezug auf Farben. Das Tagpfauenauge ernährt sich beispielsweise bevorzugt vom Nektar violetter Blüten.

Verlust der Habitate durch Landnutzungsänderung

Habitate mit Blütenpflanzen oder Gräsern, die als Raupennahrung dienen, gehen oft mit einer Landnutzungsänderung verloren. Entscheidet ein Bauer, extensiv genutzte Wiesen und Weiden in Ackerland umzuwandeln oder werden täglich 69 ha Land (Durchschnitt von 2011-2014) neu versiegelt, hat das weitreichende Folgen. Aber auch in Wäldern und an Waldrändern finden sich immer weniger blühende Pflanzen, denn Aufforstung und Stickstoffeinträge aus der Luft machen sie viel dichter als noch vor 20 Jahren, und lassen Lichtungen verschwinden. Diese Landnutzungsänderungen haben einen noch stärkeren Einfluss als der Klimawandel auf die Zusammensetzung der Artengemeinschaften. Ein weiterer, wesentlicher Faktor für den Rückgang der Schmetterlinge ist die fortwährende Zerschneidung der Landschaft. Mit Hilfe von NATURA 2000, einem zusammenhängenden Netz an Schutzgebieten, will die EU entgegenwirken: europaweit grüne Korridore und Rückzugsorte schaffen, um wieder größere, zusammenhängende Populationen und den Austausch zwischen diesen zu ermöglichen.

Citizen Science: das Tagfalter-Monitoring des UFZ

Jedoch nicht nur die EU sondern auch jeder Einzelne kann einen Beitrag zum Naturschutz und zur Biodiversitätserforschung leisten. Dies mit Hilfe von Citizen Science Projekten.

Tagfalter erfreuen sich, anders als viele andere Wirbellose, hoher Beliebtheit. Citizen Science Projekte, d.h. die wissenschaftliche Datenerhebung mit Hilfe von Freiwilligen, greifen deshalb besonders gut. Schmetterlinge sind momentan die einzige Insektenordnung für die verlässliche Zählungen vorliegen. Sie werden in 16 europäischen Ländern regelmäßig nach derselben Methode erhoben und sind somit außergewöhnlich gut überregional vergleichbar. Beobachtete Rückgänge von Falterpopulationen können ein frühes Anzeichen für Gefährdungen andere Tierarten sein. Eine systematische Erfassung der Bestände ist deshalb besonders wichtig. Im Falle der Tagfalter gibt es eine wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode, die sowohl von Wissenschaftlern wie auch interessierten Laien angewendet werden kann.

Gemeinsame Methode für Wissenschaftler und Laien

Die systematische Erfassung der Schmetterlingsarten erfolgt dabei entlang festgelegter Transekte. Dies sind genau definierte Abschnitte, die im Falle der Schmetterlingszählung jeweils 50m lang sind. Von Forschern bzw. Freiwilligen werden sie langsam durchschritten. Für die Erfassung der Arten sollte sich der (Hobby-) Forscher pro Abschnitt relativ genau 5 Minuten Zeit nehmen. Schmetterlinge kommen nur äußerst schlecht gegen Wind an und deshalb muss darauf geachtet werden, dass der Wind während einer Begehung nicht zu stark bläst. Bei Windstärke 5, bei der sich größere Zweige und Bäume bewegen und der Wind deutlich hörbar wird, sollte der Kescher wieder eingepackt werden.  Auch wenn es zu kühl oder bewölkt ist, kann nicht nach Weiß- oder Bläulingen, Edel- oder Ritterfaltern und dergleichen geforscht werden.

Diese Methode hilft den Auswirkungen des Klimawandels oder dem Verlust von Biodiversität auf die Spur zu kommen. Im Rahmen des sehr erfolgreichen Tagfalter-Monitorings sammeln Freiwillige und Forscher, koordiniert durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle, seit 11 Jahren professionell Daten. Weitere interessierte Laien, die aktiv mitforschen wollen, werden immer gesucht. Die Online-Plattform „Bürger schaffen wissen“ stellt in einer Gesamtschau Projekte zum Mitforschen vor und informiert über die Idee der Citizen Science.

Text: ESKP (Jana Kandarr)

Weiterführende Informationen

 Alle Informationen zum Tagfalter-Monitoring finden Sie am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
 Citizen Science Projekte zum Mitmachen finden hier.
 Der Falter-Blog des UFZ bietet aktuelle Informationen rund um das Thema Tagfalter.
 Aktuelle Verbreitungskarten europäischer Tagfalter finden sie hier.
 Bürger schaffen Wissen – Die Plattform für Citizen Science

Veröffentlicht: 16.03.2017, 4. Jahrgang

Zitierhinweis: Kandarr, J. (2017, 16. März). Citizen Science. Earth System Knowledge Platform [eskp.dfe], 4https://www.eskp.de/klimawandel/citizen-science-tagfalter-monitoring-935866/

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft