Auf welche Weise kommt die Strahlenbelastung der japanischen Bevölkerung nach dem Reaktorunglück überhaupt zustande?

Durch Brände, Wasserstoff-Explosionen, hohe Temperaturen, Druckentlastungen und Auswaschung sind erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe aus den Kernkraftwerken am Standort Fukushima 1 freigesetzt worden. Eine derartige Freisetzung führt unweigerlich zu einer Kontamination (Verunreinigung) der Umwelt mit radioaktiven Substanzen. Diese radioaktiven Substanzen befinden sich zum Teil gasförmig oder an winzigen Teilchen (Aerosole) gebunden in der Luft und werden mit dieser gemäß den vorherrschenden meteorologischen Bedingungen transportiert. Aus dieser "radioaktiven Wolke" werden sie früher oder später über unterschiedliche Mechanismen auf dem Boden abgeschieden. Hierbei spielt das Auswaschen durch Niederschläge eine bedeutende Rolle. Auf diese Weise können radioaktive Stoffe in den menschlichen Lebensraum und in den Nahrungskreislauf gelangen und so zu einer Strahlenbelastung der japanischen Bevölkerung führen.

Welche radioaktiven Stoffe wurden aus den Reaktoren von Fukushima 1 freigesetzt?

Die radioaktiven Spaltprodukte der betroffenen Reaktoren umfassen Edelgase (Xenon und Krypton), flüchtige radioaktive Isotope (Jod und Cäsium) sowie nichtflüchtige Spaltprodukte. Diese radioaktiven Produkte setzen bei ihrem Zerfall Strahlung frei. Der Kontakt mit ihnen ist gefährlich, da er für den Menschen eine Strahlenbelastung bedeutet. Die Edelgase tragen hierzu nur für die Dauer des Durchzugs der radioaktiven Wolke bei, da sie sich auf Grund ihrer chemischen Eigenschaften nicht an oder gar in unserem Körper anlagern. Nichtflüchtige Spaltprodukte dagegen verbleiben normalerweise innerhalb des Brennstoffes, so dass sie im Hinblick auf die Bevölkerung nur dann ein Problem darstellen, wenn Kernbrennstoff ausgetragen wird.

Die Spaltprodukte, die die meisten Probleme bereiten, sind die flüchtigen Spaltprodukte, in erster Linie die bereits erwähnten Jod- und Cäsium-Isotope (insbesondere I-131 und Cs-137), da sie sich in der Luft verteilen und mit dem Wind von den betroffenen Reaktoren unter Umständen über weite Entfernungen weggetragen werden können.

I-131 ist ein radioaktives Jod-Isotop, das Beta- und Gammastrahlung freisetzt. Es hat eine Halbwertszeit von nur etwa acht Tagen. Das bedeutet, dass nahezu das gesamte I-131 nach etwa drei Monaten zerfallen sein wird und somit auch keine Strahlung mehr freisetzt. Bei Aufnahme in den menschlichen Körper verursacht I-131 nachgewiesenermaßen eine Erhöhung des Schilddrüsenkrebs-Risikos. Die japanische Regierung hat daher Jodtabletten an die Bevölkerung in dem betroffenen Gebiet verteilt. Diese Jodtabletten enthalten nicht-radioaktives Jod (I-127). Nehmen die Menschen diese Jodtabletten ein, so wird die Aufnahme von weiterem (auch radioaktivem) Jod blockiert. Auf diese Weise wird dem Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, vorgebeugt. Wenn I-131 aus dem Reaktor austritt und sich weit weg von den betroffenen Reaktoren auf den Boden absetzt, kann es dort Nahrungsmittel, Wasser und auch tierische Produkte, wie z.B. Milch, kontaminieren (verunreinigen).

Auch Cs-137 verursacht bei seinem radioaktiven Zerfall Beta- und Gammastrahlung. Daher kann eine Cs-137-Exposition ebenfalls das Krebsrisiko erhöhen. Die Erhöhung dieses Risikos wird durch die Höhe der Dosis bestimmt. Auf Grund der mit 30 Jahren deutlich längeren Halbwertszeit verbleibt Cs-137 deutlich länger in der Umwelt. Somit könnte in Abhängigkeit von der freigesetzten Menge an Cs-137 und den gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die zulässige erhöhte Untergrundstrahlung, ein mit Cs-137 kontaminiertes Gebiet auf lange Zeit unbewohnbar sein.

Die Freisetzung von Kernbrennstoff (Uran, Plutonium) hat gegenüber den oben genannten Spaltstoffen in einem sehr viel geringerem Maße stattgefunden. Zwar konnte Plutonium insbesondere in der Nähe des Kernkraftwerks Fukushima 1 nachgewiesen werden, doch ist die verursachte Strahlenbelastung der japanischen Bevölkerung trotz der hier höheren Radiotoxizität gegenüber dem Einfluss von I-131 und Cs-137 vernachlässigbar.

Wie kann man die Strahlenbelastung minimieren?

In erster Linie ist es wichtig, radioaktive Stoffe nicht an oder in unseren Körper gelangen zu lassen. Dies bedeutet vor allem, den Aufenthalt in kontaminierten (d. h. mit radioaktiven Substanzen verunreinigten) Gebieten und den Kontakt oder gar Verzehr von kontaminierten Stoffen zu vermeiden. Das ist einer der Gründe dafür, warum die japanische Bevölkerung in der Nähe der Reaktoren sehr früh nach dem Erdbeben evakuiert wurde. Außerdem hat die japanische Regierung empfohlen, dass die Bevölkerung in 20-30 Kilometern Entfernung von den Reaktoren sich innerhalb der Gebäude aufhalten soll und die Aufenthaltsdauer im Freien zu minimieren ist, um so ihre Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten.

Bei gezielter Anwendung ist die Einnahme von Jodtabletten zur Blockade der Schilddrüse in Gebieten, die mit I-131 extrem hoch kontaminiert sind, sicherlich ein probates Mittel. Für den vorliegenden Fall ist sie auf Grund möglicher Nebenwirkungen in Deutschland unter keinen Umständen zu empfehlen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Themen Radioaktivtät und Strahlung beantworten Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Weiterführende Informationen
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat darüber hinaus weitere Informationen zu gesundheitlichen Risiken im Hinblick auf den Reaktorunfall von Fukushima zusammengestellt.

Darüber hinaus stellt das Amt die aktuellen Tageswerte für Deutschland der Gammaortsdosisleistung (ODL) zur Verfügung

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft