Vor 230 Millionen Jahren gab es einen großen Kontinent, der Pangäa hieß. Er zerbrach innerhalb der nächsten 50 Millionen Jahre in zwei große Kontinente: Laurasia auf der Nordhalbkugel und Gondwana auf der Südhalbkugel. Aus heutiger Sicht setzte sich Gondwana aus Südamerika, Afrika, Antarktika, Australien, Neuguinea, Indien, Arabien und Madagaskar zusammen. Insbesondere die Küstenlinien von Südamerika und Afrika, die heute durch den Atlantik voneinander getrennt sind, lassen erahnen, dass beide Kontinente mal zusammengepasst haben wie zwei Puzzlestücke. Bis heute driften diese beiden Kontinente entlang des Mittelatlantischen Rückens mit ungefähr 40 mm/Jahr noch auseinander (divergente Plattengrenze). Eine 10 Cent €-Münze hat einen Durchmesser von knapp 20 mm. Um die doppelte Distanz entfernen sich also die beiden Kontinente voneinander im Jahr. Eigentlich ist das nicht viel, aber im Laufe von vielen Millionen Jahren ausreichend, um die Kontinente weit auseinander geschoben zu haben.

Sascha Brune vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) hat sich zusammen mit Kollegen der Universität Sydney mit dem Auseinanderbrechen von Gondwana nun noch einmal genauer auseinandergesetzt. So haben die Wissenschaftler beispielsweise herausgefunden, dass sich die Platten zunächst extrem langsam mit nur 5-7 mm/Jahr voneinander wegbewegt haben. Sascha Brune vergleicht den Prozess mit einem Seil beim Tauziehen, welches sich erst langsam dehnt und dann plötzlich reißt, so dass die Platten danach sehr viel schneller mit besagten 40 mm/Jahr sich voneinander wegbewegen. Entlang von Plattengrenzen kommt es immer wieder zu starken Erdbeben und Vulkanausbrüchen, deshalb möchten wir von Sascha Brune mehr über seine Forschung erfahren. In einem Interview erklärt er uns einige seiner Ergebnisse genauer.

F: Wie können Prozesse wie das Auseinanderbrechen der Kontinente vor vielen Millionen Jahren, so genau rekonstruiert werden?

A: Die größte Datenbasis für die Bewegungen der Kontinente liefert erstaunlicherweise der Ozeanboden. Bei der Erstarrung der ozeanische Kruste am Mittelozeanischen Rücken wird die Polarität des Erdmagnetfeldes im Krustengestein konserviert. Da das Magnetfeld der Erde alle Millionen Jahre seine Polarität wechselt, bilden sich Streifen von magnetischen Anomalien auf dem Meeresboden, die ein Abbild der Bewegungen unserer Erdplatten darstellen. Dieser Ansatz funktioniert allerdings dort am besten, wo keine Kontinente vorhanden sind, also muss für plattentektonische Rekonstruktionen von Rifts auf zusätzliche Daten zurückgegriffen werden.

Beim Zerbrechen eines Kontinents kommt es zuerst zu einer starken Dehnung, die tiefe Spuren hinterlässt. Dabei wird die obere, feste Gesteinsschicht dünner, die Erdoberfläche sinkt ab und es bildet sich ein Becken, aus welchem Sedimente nicht mehr entweichen können und sich Schicht für Schicht übereinander legen. Diese Sedimentschichten kann man datieren und erhält dabei eine detaillierte Dehnungsgeschichte der Riftzone, aus der man auf die Plattengeschwindigkeiten rückschließen kann.

Außerdem ist das Zerbrechen von Kontinenten häufig von starkem Magmatismus begleitet und es entstehen Vulkane wie der Kilimandscharo im Ostafrikanischen Grabensystem. Magmatische Gesteine lassen sich mithilfe von radioaktiven Zerfallsprozessen datieren, was zusätzliche Information über die Entwicklung von Riftsystemen liefert.

Diese Fülle von geologischen, geophysikalischen, und geochemischen Daten kann in regionalen plattentektonischen Studien integriert werden, und Rückschlüsse auf die Kräfte gewähren, welche die Erdplatten antreiben.

F: Können durch Ihre Forschungsergebnisse neue Erkenntnisse auch zu aktuellen Plattenbewegungen gezogen werden?

A: Die größte Zone, in der Kontinente heute zerbrechen ist das Ostafrikanische Grabensystem. Diese Riftzone dehnt sich mit maximal 4-5 mm/Jahr, ist also noch in der langsamen Riftphase. Meine Ergebnisse sagen eine Erhöhung der Dehnungsraten voraus, falls sich das Rift zu einem neuen Ozean entwickelt. Allerdings ist so eine Vorhersage höchst spekulativ und es könnte noch viele Millionen Jahre dauern, bis es so weit kommt.

F: Das Auseinanderbrechen des Urkontinents Gondwana, also die Entstehung der heutigen Kontinente Afrika und Südamerika können wir uns wie ein Seilriss vorstellen, also erst eine langsame Dehnung und dann der plötzliche Riss. Der Prozess, den Sie beschrieben haben ist die heutige divergierende Plattengrenze zwischen Südamerika und Afrika. Aber wie sieht es auf der anderen Seite bei den konvergenten Plattengrenzen, also auf der pazifischen Seite vor Südamerika aus, entlang der Subduktionszone. Erst ruhiges Ineinanderschieben und dann plötzliches Stauchen?

A: Die plötzliche Beschleunigung vor 120 Millionen Jahren hat auf Südamerikas Westseite Spuren hinterlassen. Während Südamerika dort zuerst gedehnt wurde und sich sogar kleinere Meeresbecken bildeten, wie sie heute zum Beispiel in Ostasien zu finden sind, schob das beschleunigte Südamerika diese Becken wieder zusammen. Die Überreste dieser Untersee-Episode lassen sich heute in den Anden in Form von Seesedimenten nachweisen.

F: Warum sind die Kontinente gerade da auseinandergebrochen und nicht an anderen Stellen? Gab es quasi damals Sollbruchstellen?

A: Wenn Kontinente kollidieren, wie zum Beispiel Indien und Eurasien heute, bilden sich gewaltige Gebirgsketten, die mit dem heutigen Himalaya vergleichbar sind. Diese werden über Jahrmillionen hinweg erodiert also abgetragen, aber ihre Spuren blieben im Untergrund des Kontinents als Schwächezonen in der Lithosphäre erhalten. Wenn sich nach vielen Millionen Jahren das globale Kräftegleichgewicht ändert und der Kontinent wieder auseinandergezogen wird, dann werden diese alten Kollisionsgürtel reaktiviert.

F: Was geschieht, wenn mehrere dieser Sollbruchstellen existieren? Welche werden in diesem Fall reaktiviert?

A: Eine genaue Analyse der Abspaltung Südamerikas von Afrika gibt darüber Aufschluss (Heine & Brune, 2014). Am Anfang des Trennungsprozesses vor 145 Mio. Jahren waren mehrere mögliche Bruchstellen aktiv. Neben der protoatlantischen Bruchzone entwickelte sich auch zwischen Westafrika und Nordostafrika das sogenannte Westafrikanische Rift, das sich vom heutigen Nigeria bis in das südliche Libyen erstreckte. Durch das Auseinanderbrechen des Kontinents entlang dieser zwei Riftzonen wäre das heutige Afrika in Nord-Süd-Richtung in zwei Teile gespalten worden, wobei sich ein Meeresbecken geöffnet hätte, das sich bildhaft als Sahara-Atlantik umschreiben lässt (s. Darum ist die Sahara kein Ozean). Die tektonischen Rekonstruktionen zeigen, dass die Riftzone entlang des heutigen Äquatorial-Atlantiks über viele Millionen Jahre mit dem Westafrikanischen Rift konkurrierte und erst in letzter (geologischer) Minute ein Wegdriften entlang des Äquatorialen Atlantiks einsetzte. Letztlich verhinderte dies ein Zerbrechen Afrikas.

F: Gibt es solche Sollbruchstellen auch heute noch? Besteht also die Möglichkeit, dass heute noch zusammengehörende Kontinente auseinanderbrechen?

Afrika besteht aus mehreren kleineren Platten, die über ehemalige Kollisionszonen miteinander verbunden sind. Im Ostafrikanischen Rift wurde solche eine Sollbruchstelle bereits reaktiviert, aber im Westafrikanischen und im Zentralafrikanischen Rift, die beide vor 130 Millionen Jahren aktiv waren ohne sich zu einem Ozean zu öffnen, bleibt diese Möglichkeit weiterhin erhalten.

F: Gibt es noch offene wissenschaftliche Fragen bezüglich des Auseinanderbrechens der Kontinente?

A: Wie die aktuelle Studie zeigt, ist unser Verständnis der Riftdynamik erst in den Anfängen und es gibt immer wieder bahnbrechende neue Erkenntnisse zur Entwicklung von Riftsystemen. Das liegt unter anderem daran, dass Plattenrekonstruktionen von kontinentalem Zerbrechen auf vielen punktuellen Informationen basieren, wie zum Beispiel geologische Kartierungen, seismischen Erkundungen oder Bohrlochdaten. Neue, zukünftige Datensätze werden weitaus detailliertere Rückschlüsse auf die Deformation der Kontinente an den Plattengrenzen zulassen. Dabei wird die computergestützte Modellierung eine immer wichtigere Rolle spielen, denn mithilfe von numerischen Modellen lassen sich erhobene Datensätze und die damit verbundene Geodynamik in einem umfassenden Kontext verstehen. Dieses Verständnis ist von fundamentalem Interesse, denn die Strukturen die bei dem Zerbrechen von Kontinenten entstehen, und die sedimentären Becken an gerifteten Kontinentalrändern beherbergen auch einen substanziellen Anteil unserer weltweiten Kohlenwasserstoff-, Blei-, Zink- und Phosphorvorkommen.

Einleitung und Fragen Dr. Ute Münch, Antworten Dr. Sascha Brune, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ).

  Film: 3sat, Plattentektonik und Kontinentaldrift - Die Kontinente haben sich immer wieder verschoben.

Referenzen

  Brune, S., Williams, S. E., Butterworth N. P. & Müller, R. D. (2016). Abrupt plate accelerations shape rifted continental margins. Nature, 536, 201-204. doi:10.1038/nature18319

  Heine, C. & Brune, S. (2014). Oblique rifting of the Equatorial Atlantic: Why there is no Saharan Atlantic Ocean. Geology, 42(3), 211-214. doi:10.1130/G35082.1

Veröffentlicht: 19.07.2016, 3. Jahrgang

Zitierhinweis: Brune, S., & Münch U. (2016, 19. Juli). Gondwana: Ein Kontinent bricht auseinander. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 3https://www.eskp.de/naturgefahren/gondwana-plattentektonik-935839/

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