Blitze entstehen, wenn sich in einer Gewitterwolke sogenannte Hydrometeore, zum Beispiel Eiskristalle, in unterschiedlichen Phasen und unterschiedlichen Tropfen­größen bilden. Diese prallen dann gegeneinander und laden sich elektrisch auf – ähnlich wie bei einer statischen Aufladung. Wenn nun in der Wolke Auf- und Abwinde auftreten, können die Kristalle getrennt werden, sodass ein Teil der Wolke positiv, der andere negativ geladen ist. Wird das so entstehende elektrische Spannungsfeld zu groß, kommt es zu einer heftigen Entladung – die wir als Blitz und Donner wahrnehmen (siehe ESKP-Grundlagenartikel „Blitze“ sowie Piper, 2017).

Die Entladung beginnt mit einem kleinen Volumen an Luft, in dem Elektronen sich von den Luftmolekülen trennen. Diese ionisierte Luft wird auch Plasma genannt. Es handelt sich dabei um ein elektrisch leitfähiges Gas. Das Plasma breitet sich als verzweigte Kanäle aus, bis es auf die Erde trifft und sich die elektrische Spannung der Wolken als Blitz entlädt. Ein solcher Plasmakanal kann positiv oder negativ geladen sein.

Nadelstruktur in Blitzen entdeckt

Jeder Blitz sendet Radiowellen aus. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat jetzt mittels hochauflösender Daten des Radioteleskops LOFAR nadelförmige Strukturen entdeckt, die Licht in die Entladungsprozesse von Blitzen bringen könnten. LOFAR steht für „Low Frequency Array”. Dabei handelt es sich um eine neue Generation von Radioteleskopen, die in vielen europäischen Ländern installiert wurden und in einem weitgehend unerforschten Frequenzbereich zwischen 10 und 240 MHz arbeiten. Gerade der Bereich zwischen Kurzwellen- und Ultrakurzwellenbereich (30-80 MHz) eignet sich sehr gut für die Beobachtung der physikalischen Prozesse bei Blitzen.

Mit den neu entdeckten nadelförmigen Strukturen lässt sich möglicherweise erstmals erklären, warum ein Blitz sich nicht wie lange Zeit angenommen mit einem Mal entlädt – sondern binnen Sekunden mehrfach einschlägt. Die Wissenschaftler vermuten, dass nicht die gesamte Ladung eines positiven Plasmakanals in den Boden abfließt. Vielmehr geht ein Teil der Ladung über die Nadeln zurück in die Gewitterwolke und lädt diese wieder auf. Dieser Anteil kann dann bei nachfolgenden Entladungen abfließen. Als Folge kommt es zu wiederholten Blitzeinschlägen, die am Boden eine besondere Gefahr darstellen (Hare & Scholten, 2019).

Die LOFAR-Beobachtungen zeigen, dass positiv geladene Plasmakanäle sich bei der Entladung anders verhalten als negativ geladene. Der Grund hierfür sind offenbar diese nadelförmigen Strukturen, die nun erstmals sichtbar werden. Sie führen senkrecht von den positiv geladenen Kanälen weg, sind rund 100 Meter lang und haben einen Durchmesser von weniger als fünf Metern. Die untenstehende animierte 3-D-Animation zeigt die festgestellte Blitzentwicklung im Radiolicht.

Zeitlupe eines entstehenden Blitzes, der in Realität 0,2 Sekunden dauert und etwa 5 Kilometer in alle Richtungen umspannt. Die gelben Punkte geben aktuelle Radiosignale wieder, die weißen zur Illustration die vergangenen. Credits: Stijn Buitink, Universität Brüssel (Vrije Universiteit Brussel), und Brian Hare, Universität Groningen

Ungleiche Gewitterverteilung in Deutschland

Frühere Arbeiten am KIT zeigen, wo es in Deutschland am häufigsten blitzt und donnert (Abb 1; Piper & Kunz, 2017). Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten unterscheidet sich je nach Region erheblich. Verantwortlich für die Gewitterhäufigkeit sind drei Faktoren: die Entfernung vom Meer, die örtliche Landschaftsbeschaffenheit und die Feuchte in Bodennähe. Die meisten Gewittertage in Deutschland gibt es im bayerischen Voralpenraum mit rund 15 Gewittern pro Sommerhalbjahr. Häufungen treten auch zwischen Neckar und Schwäbischer Alp auf sowie im Erzgebirge und im Bayerischen Wald auf. Am seltensten blitzt es an den Küsten von Nord- und Ostsee. Dort hat das Meer einen gewitterhemmenden Einfluss, da das Wasser im Sommer die unteren Luftschichten kühlt und somit stabilisiert (Mohr & Kunz, 2013).

Die Wahrscheinlichkeit für Gewitter steigt im Tagesverlauf. Am größten ist sie nachmittags oder gegen Abend, wenn die Temperaturen am höchsten sind. Aufgrund der noch recht kurzen Messreihen der derzeit zur Verfügung stehenden Blitzdaten, ist eine Zu- oder Abnahme der Gewittertagehäufigkeit nicht erkennbar. Zudem schwankt die Gewitteraktivität von Jahr zu Jahr sehr stark und ist wesentlich beeinflusst von großräumigen Strömungs- und Luftmasseneigenschaften wie Stabilität oder Feuchtigkeit als auch durch die Meeresoberflächentemperatur.

Es können aber auch Wettervorgänge in weit voneinander entfernten Gebieten die Blitzbildung beeinflussen. Diese Vorgänge werden in der Fachsprache der Meteorologie Telekonnektionsmuster genannt. Bei der Blitzbildung haben beispielsweise die Nordatlantische Oszillation oder die East Atlantic Pattern (Ostatlantische Oszillation) einen signifikanten Einfluss auf die jährliche Variabilität bzw. Schwankung der Gewitteraktivität (Piper, 2017; Piper et al., 2019). Die Nordatlantische Oszillation (NAO) entsteht durch gegensätzlichen Luftdruck zwischen dem Azorenhoch und dem Islandtief im Norden des Atlantiks. Die Ostatlantische Oszillation hingegen ist häufig beeinflusst von den Subtropen und beeinflusst das Wetter vom Mittelmeer bis nach Skandinavien.

Text: Oliver Jorzik (Earth System Knowledge Platform | ESKP)

Fachliche Durchsicht: Dr. Susanna Mohr (Karlsruher Institut für Technologie | KIT)

Referenzen

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  Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY. (2019, 17. April). Warum Gewitterwolken mehrfach blitzen. Radioteleskop entdeckt „Nadeln“ in Gewitterblitzen [Pressemitteilung, www.desy.de]. Aufgerufen am 04.06.2019.

  Hare, B. & Scholten, O. (2019). Needle-like structures discovered on positively charged lightning branches. Nature, 568, 360-363. doi:10.1038/s41586-019-1086-6

  Karlsruher Institut für Technologie – KIT. (2017, 26. September). Am Fuß der Zugspitze gibt es die meisten Gewitter [Presseinformation 138/2017, www.kit.edu]. Aufgerufen am 04.06.2019.

  Karlsruher Institut für Technologie – KIT. (2019, 18. April). Nature: Radioteleskop LOFAR blickt tief in den Blitz [Presseinformation 053/2019, www.kit.edu]. Aufgerufen am 04.06.2019.

  Mohr, S. & Kunz, M. (2013). Recent trends and variabilities of convective parameters relevant for hail events in Germany and Europe. Atmospheric Research, 123, 211-228. doi:10.1016/j.atmosres.2012.05.016

  Piper, D. A. (2017). Untersuchung der Gewitteraktivität und der relevanten großräumigen Steuerungsmechanismen über Mittel- und Westeuropa. Wissenschaftliche Berichte d. Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie, 73doi:10.5445/KSP/1000072089

  Piper, D. & Kunz, M. (2017). Spatiotemporal variability of lightning activity in Europe and the relation to the North Atlantic Oscillation teleconnection pattern. Natural Hazards and Earth System Sciences, 17(8), 1319-1336. doi:10.5194/nhess-17-1319-2017

  Piper, D., Kunz, M., Allen, J. T. & Mohr, S. (2019). Temporal variability of thunderstorms in Central and Western Europe is driven by large-scale flow and teleconnection patterns. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, 145(725), 3644-3666. doi:10.1002/qj.3647

  Poelman, D. R., Schulz, W., Diendorfer, G. & Bernardi, M. (2016). The European lightning location system EUCLID – Part 2: Observations. Natural Hazards and Earth System Sciences, 16(2), 607-616. doi:10.5194/nhess-16-607-2016

  Roeder, F. (2019, März). Ein neues Fenster ins Universum (Wissenschaftsbild des Monats, www.helmholtz.de). Aufgerufen am 04.06.2019.

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